Corona verharmlost: „Abscheulich und fast schon kriminell“: Biden attackiert Trump
Washington –
Donald Trump hat ein großes, recht zweifelhaftes Talent: Ignorieren und Herunterspielen von Tatsachen, die ihm nicht passen. So auch bei Corona: Seit Beginn der Pandemie fiel der US-Präsident durch Verharmlosung der Lungenkrankheit auf. Doch aus Interview-Mitschnitten geht nun hervor, dass er schon früh die gravierenden Risiken von Covid-19 kannte. Wenige Wochen vor der Wahl gerät Trump nun unter erheblichen Druck.
Knapp zwei Monate vor der Wahl in den USA hat sich Präsident Donald Trump selbst in Bedrängnis gebracht durch sein Eingeständnis, die Corona-Gefahr heruntergespielt zu haben. Trump sagte am Mittwoch (Ortszeit) in Washington zu seiner Verteidigung, er habe damit Panik vermeiden und Führungsstärke zeigen wollen.
Washington: Donald Trump hat Corona-Gefahr bewusst heruntergespielt
Zuvor hatten erstmals veröffentlichte Mitschnitte aus Interviews zu Beginn der Pandemie den Präsidenten in Erklärungsnot gebracht. Sein Herausforderer im Rennen ums Weiße Haus, der Demokrat Joe Biden, warf Trump umgehend vor, das amerikanische Volk belogen zu haben und für den Tod Zehntausender US-Bürger verantwortlich zu sein.
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Trump hatte die Interviews dem bekannten Investigativjournalisten Bob Woodward für ein neues Buch gegeben. In einem Audio-Mitschnitt vom 19. März ist zu hören, wie Trump nach der Einleitung „Um ehrlich mit Ihnen zu sein, Bob“ über die Coronavirus-Situation sagt: „Ich wollte es immer herunterspielen. Ich spiele es auch immer noch gern herunter, weil ich keine Panik erzeugen will.“
Trump war sich über die Gefährlichkeit des Coronavirus in den USA bewusst
In einem Gespräch am 7. Februar sagte Trump den Aufnahmen zufolge über das Virus: „Das ist tödliches Zeug.“ Menschen müssten nicht erst Kontaktflächen anfassen, um sich anzustecken: „Man atmet einfach Luft ein, und das ist, wie es sich überträgt.“ Die Krankheit sei auch „tödlicher“ als eine schwere Grippe, die pro Jahr 25.000 bis 30.000 Amerikaner das Leben koste. Am Mittwoch überschritt die Zahl der Corona-Toten in den USA die Marke von 190.000.
Nach Bekanntwerden der Äußerungen warf Biden Trump ein „beinahe kriminelles“ Verhalten in der Corona-Krise vor.
Biden attackiert Trump: Sein Verhalten sei „abscheulich“
Der 77-Jährige sagte dem Sender CNN in einem am Mittwochabend vorab in Auszügen veröffentlichten Interview, Trumps Verhalten sei „abscheulich“.
Bei einem Auftritt in Michigan kritisierte Biden, Trump habe das amerikanische Volk über das Virus belogen, dadurch seien Menschen gestorben. „Er wusste, wie tödlich es ist und hat es gezielt heruntergespielt.“ Biden will Trump bei der Wahl am 3. November bezwingen.
Trump wiederum sagte am Mittwochabend im Sender Fox News: „Ich bin ein Cheerleader für dieses Land, und ich will keine Panik sehen.“ Als Präsident trage er besondere Verantwortung: „Ich bin der Anführer dieses Landes, ich kann nicht auf und ab springen und die Menschen verängstigen.“ Er betonte, er habe frühzeitig einen Einreisestopp für Reisende aus China und der EU erlassen, der etliche Menschenleben gerettet habe. Trump lobte zugleich das Krisenmanagement seiner Regierung. „Wir haben unglaubliche Arbeit geleistet.“
Besonders zu Beginn der Pandemie hatte Trump Covid-19-Erkrankungen wiederholt mit einer Grippe-Infektion verglichen. Auch behauptete er öffentlich, dass die Sterberate niedriger als bei einer Grippe sei – und hielt im Frühjahr mehrere Wahlkampfveranstaltungen mit Tausenden Anhängern ab. Mehrfach stellte er in Aussicht, dass das Virus eines Tages einfach wieder verschwinden werde.
US-Präsident wiegte US-Bürger in falscher Sicherheit
In den USA berichteten in den vergangenen Monaten Angehörige von Verstorbenen wiederholt, dass diese das Virus nicht ernst genug genommen hätten. Beim Parteitag der Demokraten im August sorgte der Auftritt einer Frau für Aufsehen, deren Vater – ein Trump-Wähler – dem Virus zum Opfer gefallen sei, weil er nach Äußerungen des Präsidenten unvorsichtig geworden sei. „Seine einzige Vorerkrankung war Vertrauen zu Donald Trump. Und dafür hat er mit seinem Leben bezahlt“, sagte sie.
Der US-Präsident war bereits am Wochenende in die Kritik geraten, nachdem das Magazin „The Atlantic“ unter Berufung auf anonyme Quellen geschrieben hatte, dass Trump sich abwertend über US-Soldaten geäußert habe. Trump wies das am Mittwoch erneut vehement zurück. Seine Äußerungen zur Corona-Gefahr sind allerdings auf Band.
Trump gibt Journalist Woodward brisante Einblicke in US-Politik
Woodward genießt im US-Journalismus den Status einer Legende, seit er und sein Kollege Carl Bernstein eine entscheidende Rolle bei der Aufdeckung des Watergate-Skandals spielten, der Präsident Richard Nixon 1974 den Job kostete. Für sein neues Buch „Rage“ (dt. „Wut“) führte er nach eigenen Angaben 18 Interviews mit Trump und wurde auch mehrfach von Trump angerufen. Der Sender CNN zitierte am Mittwoch vorab aus dem kommende Woche erscheinenden Buch und veröffentlichte auch kurze Audio-Mitschnitte aus den Interviews.
Zu hören ist etwa, wie Woodward angesichts der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Afroamerikaner von Trump wissen will, ob dieser sich auch Gedanken über seine privilegierte Position als Weißer mache. „Nein, ich fühle das überhaupt nicht“, entgegnet Trump in dem Mitschnitt. Die Proteste spielen eine große Rolle im US-Wahlkampf.
Privilegierte Position als Weißer – Trump: Nein, ich fühle das überhaupt nicht“
Zu den bisher bekanntgewordenen Details aus dem Buch gehört außerdem, dass Trump in seinen Interviews mit Woodward von einem einzigartigen und streng geheimen Waffensystem sprach. Der Journalist versuchte daraufhin nach eigenen Angaben, weitere Informationen bei seinen Quellen einzuholen – diese hätten sich überrascht gezeigt, dass Trump überhaupt davon erzählt habe.
Dem Buch zufolge ging Trumps zeitweiliger Verteidigungsminister James Mattis in die Nationalkathedrale in Washington, um zu beten, weil er sich Sorgen über das Schicksal des Landes unter der Führung des Präsidenten machte. Der frühere Geheimdienst-Koordinator Dan Coats wiederum sei sehr besorgt gewesen über das Verhältnis Trumps zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. (vd/dpa)