Laschet genervt
  • Bloß keinen Fehler machen, bloß keinen Fehler machen! Und zack – ist es wieder passiert: Armin Laschet (CDU).
  • Foto: picture alliance/dpa/Rolf Vennenbernd

Das Laschet-Dilemma: Kann die Union das Ruder überhaupt noch rumreißen?

Die SPD zieht in Umfragen mit der Union gleich! Das klingt ein bisschen nach den alten Zeiten der Volksparteien, als beide sich in der Wählergunst irgendwo zwischen 35 Prozent und weit über 40 wiederfanden. Tatsächlich liegen beide im Sonntagstrend von „Insa“ für „Bild am Sonntag“ bei 22 Prozent. Auch wenn die Union beim Einläuten der heißen Wahlkampfphase am Wochenende offiziell Optimismus verbreiten wollte: Intern herrscht spätestens jetzt blanke Panik, dass man im Herbst in der Opposition landen könnte.

Das große Finale auf der Bühne gehörte am Samstag dem Chef. Nachdem die Kanzlerin ihn zuvor zu ihrem sicheren Nachfolger erklärt und CSU-Chef Markus Söder zumindest vordergründig seine Solidarität bekundet hatte. Und dann? Wirkte Armin Laschet sichtlich nervös, aus jeder Pore schien der Wunsch zu dringen: Jetzt bloß keinen Fehler machen! Und dann passierte es doch, mal wieder. Die GSG 9 habe 1977, fünf Jahre nach ihrer Gründung, „Deutsche aus der entführten Lufthansa-Maschine in Landshut befreit“, so Laschet.

Erneut dämlicher Patzer von Laschet

Dumm nur: Es ging um das Flugzeug mit Namen „Landshut“, das damals in der somalischen Hauptstadt Mogadischu von der Spezialeinheit gestürmt worden war. Auf Twitter war das Gespött groß: „Das passiert, wenn man die von anderen gebastelte Rede nicht vorher einmal durchgelesen hat“, schrieb stellvertretend eine Nutzerin.

Und dann platzte tags darauf die nächste Bombe: Historischer Umfragen-Tiefstwert der Union, die SPD gleichauf mit 22 Prozent! Der einstige Haupt-Konkurrent, die Grünen, leicht abgeschlagen mit 17 Prozent.

Stimmung der CDU-Basis ist im Keller

Nun unterliegen Umfragen gewaltigen Schwankungen – doch wer sich in diesen Tagen in Unionskreisen umhört, merkt schnell: Die miserablen Werte gehen nicht spurlos an der Basis vorbei, die Stimmung ist im Keller. Der Straßenwahlkampf: sei ein Qual. Einige hätten sogar gehofft, dass Laschet von sich aus noch rechtzeitig die Segel streicht, ist zu vernehmen. Aber jetzt sei es schlicht zu spät, der Wahlkampf werde ja wochenlang vorbereitet und auch auf den Kandidaten zugeschnitten. Der Strohhalm, an den man sich noch klammert: Den Gegner härter attackieren, das Schreckgespenst der Konservativen, Rot-rot-grün, stärker in den Fokus rücken.

Ein Aufbruch-Signal indes ging von der Wahlshow am Samstag nicht aus. Das Ruder rumreißen, Zuversicht und Geschlossenheit ausstrahlen und der perfekte Auftritt: Der Plan für die Veranstaltung, die ein bisschen nach US-Vorbild gestaltet war und live in die Republik übertragen wurde, war eigentlich klar. Und dann patzte Laschet doch wieder. Und sein CSU-Kollege Markus Söder setzte versteckte Nadelstiche, obwohl er vordergründig so tat, als ob sie beide („der Armin und ich“) an einem Strang zögen.

Söder setzt versteckte Nadelstiche

Dass er sich selbst aber immer noch für den besseren Kandidaten hält, das war im Subtext immer wieder herauszuhören. „Jetzt müssen wir zulegen. Ich habe keinen Bock auf Opposition“, polterte Söder. „Am Ende kommt es auf den Kanzlerkandidaten an!“ Kann man als Solidaritätsbekundung lesen, kann aber auch heißen: Wenn wir es am Ende nicht schaffen, wer war dann Schuld? Laschet, unser Kandidat.

„Wir haben unglaublich viele Leben gerettet“, so Söder zur Corona-Krise. Heißt vor allem: Angela Merkel, ich und die anderen aus dem „Team Vorsicht“ waren das, nicht aber der zaudernde und immer an den Maßnahmen zweifelnde Laschet. Weitere Söder-Forderung: „Wir brauchen gezielte Steuersenkungen!“ Laschet war da zuletzt uneindeutig. „Tief in seinem Herzen“, das wisse Söder genau, da wolle auch „der Armin“ die Ausweitung der Mütterrente (die im Grunde nur die CSU will). Auch das einerseits kalkulierter Lacher, aber auch ein Nadelstich.

Wie kann die Union das Ruder noch rumreißen?

Hat die Union in ihrem Laschet-Dilemma also überhaupt noch eine Chance, das Ruder in den verbleibenden Wochen vor der Wahl rumzureißen?

Der Politikwissenschaftler Jürgen Falter sagte im „Deutschlandfunk“: „Armin Laschet bringt keinen Schwung in den Wahlkampf hinein.“ Er habe zu lange „auf seine Nettigkeit gesetzt“, die er ohne Zweifel habe. Ansonsten habe man aber nur auf eine „low level“-Strategie gesetzt, so Falter weiter. Nach dem Motto: Die andern werden Fehler machen, wir tun so lange niemandem weh. Dies sei bekanntermaßen nicht aufgegangen, Fehler machte neben der grünen Baerbock vor allem Laschet selbst.

Briefwahl als wichtiger Faktor

Das einzige, was noch helfen könne: klare Stellungnahmen, klare Führung in Krisen-Situationen, klare inhaltliche Positionierungen, ein sichtbares Team. Eine härtere Gangart gegenüber der Konkurrenz, die komme indes vermutlich zu spät. Ein Grund: die Briefwahl.

Tatsächlich lässt sich zweierlei beobachten: Auf der einen Seite steht der Trend, dass es immer weniger Stammwähler:innen gibt. Dass immer häufiger tagesaktuelle Themen Wahlen beeinflussen, dass immer mehr Menschen erst in der Wahlkabine ihre endgültige Entscheidung fällen, wo das Kreuzchen gemacht wird. In fünf Wochen etwa könnte Corona dann eine wieder größere Rolle spielen, sollte es erneut zu Schutz-Maßnahmen kommen.

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Andererseits dürften – wegen Corona – ungewöhnlich viele Menschen dieses Jahr eine Briefwahl bevorzugen. Schon 2017 waren es mehr als 28 Prozent. Der Bundeswahlleiter Georg Thiel rechnete in der ARD mit einer „erheblichen Steigerung der Briefwahlbeteiligung“. Michael Kellner, der Wahlkampfleiter der Grünen, sprach gar von möglichen 40 bis 50 Prozent. Das heißt: Alle Aufhol-Bemühungen der Union hätten für diese Wählerstimmen keine Bedeutung mehr. Tagesaktuell dürften viele eher Laschets Patzer in der Flut-Krise erinnern. Wie sich die dramatischen Entwicklungen in Afghanistan auswirken, werden wohl erst Umfragen der laufenden Woche zeigen.

Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß indes gibt sich gegenüber der MOPO kämpferisch: „Klar ist: Wir müssen jetzt richtig Gas geben.“ Er sei zuversichtlich, dass Laschet Stimmung und Trend in den verbleibenden Wochen noch einmal drehen könne. „Unser Ziel bei der Bundestagswahl müssen 30 Prozent plus X sein.“

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