„Der Kanzler will nicht liefern, sagt es aber nicht“
Die Ukraine braucht dringend schwere Waffen, um sich gegen russische Angriffe zu verteidigen. Der Druck auf Kanzler Olaf Scholz (SPD), dem Drängen aus Kiew nachzugeben, wird immer größer. Während sich die SPD-Spitze um eine verbale Deeskalation bemüht, droht die Opposition in Sachen Waffenlieferungen mit einem Alleingang.
Scholz hatte am Karfreitag angekündigt, Gelder zur Anschaffung von Militärgerät für die Ukraine deutlich erhöhen zu wollen. „Geld hilft erst einmal nicht“, erklärte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen dazu. Bis die dafür gekauften Waffen tatsächlich in der Ukraine ankämen, könnten Wochen oder sogar Monate vergehen. „Der Kanzler will nicht liefern, sagt es aber nicht, sondern trickst“, so der Politiker. Und weiter: „Ich weiß nicht, wann eine Bundesregierung schon einmal größeren außenpolitischen Schaden verursacht hat als in der gegenwärtigen Lage, in der es schicksalhaft um die Zukunft Europas geht.“
Ampel findet keine gemeinsame Linie
Röttgens Partei-Kollege Johann Wadephul (CDU) macht Scholz sogar „mitverantwortlich für die Wehrlosigkeit der Ukraine“. Er kündigte an, sollte sich der Bundeskanzler in der Frage der schweren Waffen nicht bewegen, werde die Union im der kommenden Woche im Bundestag einen Antrag auf die Lieferung ebendieser stellen. Das brächte die Ampel-Koalition erneut in schwere Gewässer. Denn große Teile der Grünen und der FDP müssten den Unions-Antrag gegen ihre Überzeugung ablehnen – oder die Ampel wäre am Ende.
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FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erhöhte am Dienstag erneut Druck auf Scholz: „Die Zeit drängt“, erklärte er. Der Krieg werde in den kommenden Tagen wohl „noch grausamer und brutaler“. „Aus meiner Sicht sind Waffenlieferungen, beziehungsweise schwere Waffen, hier ein notwendiger Weg.“ Djir-Sarai erklärte, er hoffe, dass in den nächsten Tagen eine Lösung gefunden werden könne.
Müller (SPD) warnt vor Eskalation des Konflikts
Aber vor allem in der SPD sind die Widerstände groß: Michael Müller (SPD), Ex-Bürgermeister von Berlin und heute Bundestagsabgeordneter, verteidigte Scholz‘ Haltung. Man müsse eben abwägen, wie sehr man helfen könne, ohne selbst in den Konflikt mit hineingezogen zu werden, sagte er bei n-tv. „Ich staune bei einigen, wie schnell man jetzt nach schweren Waffen ruft“, sagt Müller mit Blick auf die Ausschuss-Vorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Anton Hofreiter (Grüne) und Michael Roth (SPD), die kürzlich Kiew besucht hatten. Diejenigen, die diese Forderung aussprechen, sollen es dann auch deutlich sagen, so Müller: „Wir nehmen billigend in Kauf, dass der Konflikt eskaliert.“
SPD-Chefin Saskia Esken verwies darauf, dass Deutschland bereits schwere Waffen geliefert habe. Tatsächlich hatte die Bundesregierung einer Lieferung von Schützenpanzern aus DDR-Beständen durch Tschechien zugestimmt.
Treffen zwischen Melnyk und SPD-Spitze
Auch an anderer Stelle versuchte Esken die Wogen zu glätten: Vor allem der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andreji Melnyk, fordert immer wieder auch schwere deutsche Waffen. Dabei attackierte er auch wiederholt SPD-Spitzenpolitiker (MOPO berichtete). Esken hatte am Dienstag ein Foto gepostet, das sie und ihren Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil mit Melnik zeigt. Es entstand der Eindruck, als habe es bereits ein Treffen gegeben und alle Differenzen seinen ausgeräumt.
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Tatsächlich handelte es sich aber um ein älteres Foto. Melnyk twitterte, das Treffen werde erst am Mittwoch stattfinden und schrieb: „Ich hoffe, dass die SPD endlich grünes Licht für die Lieferung schwerer Waffen und ein Öl- und Gasembargo gibt.“