TV-Satiriker und Comedian Jan Böhmermann hat nach eigenen Angaben die geheimen NSU-Akten geleakt.
  • TV-Satiriker und Comedian Jan Böhmermann hat nach eigenen Angaben die geheimen NSU-Akten geleakt.
  • Foto: picture alliance/dpa/ZDF | Ben Knabe

Geheim gehalten: Böhmermann veröffentlicht angebliche NSU-Akten

Erst waren es unfassbare 120, zuletzt immerhin noch 30 Jahre: Solange wollte Hessen den Bericht des eigenen Verfassungsschutzes zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) unter Verschluss halten. Nun verkündete Satiriker Jan Böhmermann seinen nächsten Coup: Er habe die Akten öffentlich zugänglich gemacht.

Die Plattform „Frag den Staat“ und das „ZDF Magazin Royale“ haben nach eigenen Angaben als geheim eingestufte hessische NSU-Akten veröffentlicht. „Wir glauben, die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, was genau in jenen Dokumenten steht, die ursprünglich für mehr als ein Jahrhundert geheim bleiben sollten“, heißt es auf der dazu eingerichteten Webseite. Um die Quellen zu schützen, seien die Akten komplett abgetippt und ein neues Dokument erstellt worden, um keine digitalen Spuren zu hinterlassen, schrieb Böhmermann auf Twitter.

Geheime NSU-Akten von Böhmermann veröffentlicht

Bei dem am Freitag abrufbaren Dokument handelt es sich laut Deckblatt um einen Abschlussbericht zur Aktenprüfung im Landesamt für Verfassungsschutz Hessen im Jahr 2012. Der Bericht ist auf den 20. November 2014 datiert.

Wirklich viel Geheimes steht in den Akten allerdings nicht – und auch über den NSU erfährt der Leser nur wenig. „Wer hofft, in diesen Berichten die Antwort auf offene Fragen zum NSU, Beweise für gezielte Vertuschungsversuche oder gar den Beleg für die Rolle des Verfassungsschutzes bei der Mordserie zu finden, wird enttäuscht“, schreiben die Redaktionen.

Was steht in den angeblich veröffentlichten NSU-Akten?

Denn das Problem ist: „Die NSU-Akten geben kein abschließendes Urteil zur Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes zum NSU – weil der hessische Verfassungsschutz selbst nicht weiß, was der hessische Verfassungsschutz alles wusste“, heißt es weiter.

Um sogenannte NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes – Ergebnis einer Prüfung, bei der die Behörde eigene Akten und Dokumente zum Rechtsextremismus auf mögliche Bezüge zum NSU geprüft hatte – gibt es seit Jahren Streit. Sie waren zunächst für 120 Jahre als geheim eingestuft worden, später wurde die Zeit auf 30 Jahre verringert. Zehntausende Personen hatten in einer Petition die Veröffentlichung gefordert. Die Initiatoren der Petition erhofften sich neue Erkenntnisse über die Morde der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrunds“ (NSU) und mögliche Verbindungen zum Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Hessen hatte die geheimen Akten zur NSU immer verteidigt

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte im Mai 2021 die Entscheidung verteidigt, die Akten nicht zu veröffentlichen. „Für die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden ist es immanent, dass sie ihre Arbeitsweise nicht für jeden offenlegen können“, sagte er damals im Landtag in Wiesbaden. „Ansonsten könnten die Verfassungsfeinde selbst diese Informationen nutzen, um unsere gemeinsamen Werte zu bekämpfen oder Menschen gezielt zu gefährden.“ Er verwies darauf, dass das zuständige Parlamentarische Kontrollgremium Verfassungsschutz vollumfängliche Akteneinsichtsrechte besitze und jederzeit sämtliche Informationen des Verfassungsschutzes einsehen könne.

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Der NSU hatte über Jahre unerkannt mordend durch Deutschland ziehen können. Die Opfer: neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin. Die Rechtsterroristen verübten außerdem zwei Bombenanschläge mit Dutzenden Verletzten und etliche Banküberfälle. Einer der Morde wurde 2006 in Kassel verübt. Die beiden Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten sich 2011 getötet, um der Festnahme zu entgehen. Als einzige Überlebende des NSU-Trios wurde Beate Zschäpe als Mittäterin zu lebenslanger Haft verurteilt – auch wenn es nie einen Beweis dafür gab, dass sie selbst an einem der Tatorte war. (dpa/mp)

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