Scholz, Lauterbach
  • Haben eine allgemeine Impfpflicht angekündigt, sich aber nicht durchgesetzt: Kanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD).
  • Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Derbe Bruchlandung für Impfpflicht-Befürworter

Kanzler Olaf Scholz (SPD) beorderte extra Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vom Nato-Gipfel zur Abstimmung in den Bundestag. Doch es nutzte nichts: Der Gesetzentwurf aus den Reihen der Ampel zur Corona-Impfpflicht ab 60 Jahren fiel nicht knapp, sondern krachend im Bundestag durch. Jubel kam vor allem bei der AfD auf.

Die Impfkampagne in Deutschland ist fast zum Erliegen gekommen. 76 Prozent haben eine Grundimmunisierung, die Zahl ändert sich seit Wochen praktisch nicht mehr. Laut dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend ist zwar mehr als ein Drittel (37 Prozent) gegen jede Impfpflicht, aber fast jeder Zweite (46 Prozent) für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren. 13 Prozent unterstützen eine Impfpflicht für Menschen ab 50 Jahren. Doch es wird keine Impfpflicht geben, der Bundestag lehnt sie mehrheitlich ab.

Deutliche Mehrheit gegen den Ampel-Vorschlag

Eine Gruppe um die Ampel-Politiker Karl Lauterbach (SPD), Janosch Dahmen (Grüne) und Andrew Ullmann (FDP) hatte einen Gesetzentwurf vorgelegt, der bereits einen Kompromiss darstellte: Er sah eine Impfpflicht ab 60 Jahren vor. Doch dieser fand in der freien Abstimmung keine Mehrheit: dafür stimmten nur 296 Abgeordnete, dagegen aber 378 (neun Enthaltungen). Konkret hatten die Pläne für alle ab 60 Jahren eine Pflicht vorgesehen, bis zum 15. Oktober über einen Impf- oder Genesenennachweis zu verfügen. Für 18- bis 59 Jährige, die nicht geimpft sind, sollte zunächst eine Beratungspflicht kommen.


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Ähnlich erging es dem Antrag der Unions-Parteien, die eine „Impfpflicht auf Vorrat“ vorgeschlagen hatten: Erst beim Auftauchen von noch gefährlicheren Varianten, hätte es demnach die Möglichkeit gegeben, eine allgemeine Impfpflicht einzuführen. Die Vorbereitungen hätten über den Sommer getroffen werden sollen. CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge hatte damit geworben, dass dies der „schonendste Eingriff in die Freiheitsrechte“ sei. Dieser Idee folgten aber nur 172 Abgeordnete, obwohl die Unions-Fraktion über 197 Mitglieder verfügt.

AfD bricht nach Ablehnung in lauten Jubel aus

Ebenfalls keine Mehrheit fand der Antrag von Wolfgang Kubicki (FDP), einfach keine allgemeine Impfpflicht zu beschließen. Die AfD wollte in ihrem Vorschlag sogar die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgeschafft sehen. Das scheiterte zwar ebenfalls kläglich, aber die Fraktion der Rechtspopulisten brach trotzdem in lauten Jubel aus – als der Gesetzentwurf aus den Ampel-Reihen scheiterte.

Aus den Bundesländern kam mehrheitlich Kritik an den Entscheidungen des Bundestags. Die Länder hatten das Parlament einstimmig beauftragt, eine Impfpflicht auf den Weg zu bringen. „Das ist kein guter Tag für die Pandemiebekämpfung. Impfen bleibe ein zentraler Baustein im Kampf gegen die Pandemie“, zeigte sich auch Rainer Dulger, Chef des Arbeitgeberverbands, enttäuscht.

Beschäftigte im Gesundheitswesen „stehen im Regen“

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie klagte, Beschäftigte im Gesundheitswesen würden nun doppelt im Regen stehen gelassen: „Zum einen bleibt die einrichtungsbezogene Impfpflicht ohne eine allgemeine Verpflichtung Stückwerk, und zum anderen werden sie spätestens im Herbst wieder mit steigenden Corona-Fallzahlen zu kämpfen haben.“

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Gesundheitsminister Lauterbach bedauerte die Absage an eine Impfpflicht. „Es ist eine sehr wichtige Entscheidung, denn jetzt wird die Bekämpfung von Corona im Herbst viel schwerer werden“, schrieb er auf Twitter. Gleichzeitig kündigte er an, weiter für eine Impfpflicht zu kämpfen. „Es helfen keine politischen Schuldzuweisungen – wir machen weiter. Man darf nie aufgeben, wenn es um das Leben anderer Menschen geht“, sagte er. „So denke ich als Arzt, so denke ich als Politiker.“

Union spricht weiter von möglichen Kompromissen

Immerhin: Die Union steht nach eigener Aussage weiter für einen Kompromiss bereit, beharrt aber als Grundlage dafür auf ihrem eigenen Vorschlag: „Wir stehen weiterhin für Gespräche bereit, um entschlossen, aber maßvolle Vorsorge für den Herbst zu treffen“, erklärte Fraktions-Vize Sepp Müller (CDU).

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