„Der Krieg ist offensichtlich sinnlos“: Russische Wissenschaftler attackieren Putin
Bomben, Raketen, Panzer und Gewehre: Russlands Präsident Wladimir Putin greift seit vergangener Woche das Nachbarland Ukraine an. Als „Begründung“ gibt er an, die Ukraine, die von einer demokratisch gewählten Regierung unter dem jüdischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geführt wird, „entnazifizieren“ zu wollen. Die Attacke wird weltweit aufs Schärfste verurteilt – sogar von Putins eigenen Landsleuten.
„Die Verantwortung für die Entfesselung eines neuen Kriegs in Europa liegt vollständig bei Russland“: Es sind deutliche Worte, mit denen sich eine Gruppe russischer Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten an ihren Präsidenten Wladimir Putin wendet. Sie haben einen offenen Brief geschrieben, der der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)“ vorliegt und den diese ins Deutsche übersetzt hat.
Darin heißt es weiter: „Für diesen Krieg gibt es keinerlei vernünftige Rechtfertigungen. Die Versuche, die Situation im Donbass als Anlass für die Entfesselung einer militärischen Operation auszunutzen, erwecken keinerlei Vertrauen.“ Stattdessen, so die Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten, sei „ganz offensichtlich, dass die Ukraine keine Bedrohung der Sicherheit unseres Landes darstellt.“ Die Unterzeichner finden eindeutige Worte: „Der Krieg gegen die Ukraine ist ungerechtfertigt und offensichtlich sinnlos.“
Russische Wissenschaftler: Russland ist „Anstifter eines neuen Krieges auf dem europäischen Kontinent“
Wie die „FAZ“ weiter übersetzt, sehen die Forscher den Angriff auf das Nachbarland als einen Angriff auf Freunde, nicht Feinde: „Die Ukraine war und wird ein uns nahes Land bleiben. Viele von uns haben in der Ukraine Verwandte, Freunde und Kollegen im Bereich der Wissenschaft. Unsere Väter, Großväter und Urgroßväter haben gemeinsam gegen den Nationalsozialismus gekämpft.“
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Daher falle es ihnen schwer, einzusehen, „dass unser Land, das einen entscheidenden Beitrag zum Sieg über den Nationalsozialismus geleistet hat, jetzt Anstifter eines neuen Krieges auf dem europäischen Kontinent geworden ist“. Die angebliche „Entnazifizierung“ als Rechtfertigung für den Krieg zu verwenden, erscheint den Unterzeichnern perfide: „Die Entfesselung eines Krieges wegen der geopolitischen Ambitionen der Führung der Russländischen Föderation, die sich leiten lässt von zweifelhaften historiosophischen Fantasien, ist ein zynischer Verrat ihres Andenkens.“
Man selbst achte „die ukrainische Staatlichkeit, die sich auf real funktionierende demokratische Institutionen stützt. Wir sehen mit Verständnis die europäische Wahl unserer Nachbarn“, heißt es in dem Brief weiter. „Wir sind davon überzeugt, dass alle Probleme in den Beziehungen zwischen unseren Ländern auf friedlichem Wege gelöst werden können.“
„Der Krieg gegen die Ukraine ist ein Schritt ins Nichts“
Die Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten beklagen neben der moralischen Verwerflichkeit von Putins Vorhaben auch ganz konkrete, negative Folgen: „Mit der Entfesselung des Krieges hat sich Russland zu internationaler Isolierung verurteilt, zu einem ausgestoßenen Land. Das bedeutet, dass wir Wissenschaftler uns jetzt nicht in normaler Weise mit unserer Arbeit werden beschäftigen können; denn wissenschaftliche Untersuchungen sind undenkbar ohne eine vollwertige Zusammenarbeit mit den Kollegen anderer Länder.“
Zudem bedeute „die Isolierung Russlands gegenüber der Welt eine weitere kulturelle und technologische Abwertung unseres Landes, bei vollständigem Mangel an positiven Perspektiven. Der Krieg gegen die Ukraine ist ein Schritt ins Nichts“, schreiben die Unterzeichner.
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Der Brief wurde laut „FAZ“ von „mehr als 380 Wissenschaftlern binnen 24 Stunden“ verfasst. Unter den Unterzeichnenden sollen 65 Mitglieder der wichtigsten Forschungsinstitution des Landes, der Russischen Akademie der Wissenschaften, sein. Die Beteiligten fordern „die unverzügliche Einstellung aller gegen die Ukraine gerichteten militärischen Handlungen [und] die Achtung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit des ukrainischen Staates. Wir fordern Frieden für unsere Länder.“
Die vollständige Übersetzung des Briefs lesen Sie hier. (mik)