Alice Weidel Tino Chrupalla
  • AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel (li.) und Tino Chrupalla.
  • Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Eigene Kanzlerkandidatur: Verdrängt die AfD jetzt die Grünen?

Deutschland regiert von einem Kanzler oder Kanzlerin aus den Reihen der AfD? Was für die meisten Menschen in diesem Land wie ein böser Albtraum klingt, hält die Partei selbst – und möglicherweise viele ihrer Wähler:innen – für eine durchaus realistische Option. Die Parteivorsitzende Alice Weidel verkündete gestern, dass die AfD bei der nächsten Wahl erstmals einen Kanzlerkandidaten aufstellen wolle. Ist es also möglich, dass die Partei, die in Teilen nachgewiesen rechtsextrem ist, 2025 die Rolle der Grünen neben SPD und Union einnehmen könnte?

Auf die Frage, ob ihre Partei angesichts der aktuellen Umfragen über einen solchen Schritt nachdenke, sagte Weidel am Mittwoch bei RTL/ntv: „Natürlich. Wir hätten das auch ohne diese Werte getan, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen.“

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In einem früheren Interview mit dem RND hatte sie bereits selbstbewusst verkündet: „Die AfD wird die einstige Volkspartei SPD bald hinter sich lassen.“ Auf die Frage, ob sie sich selbst eine solche Kandidatur zutraue, sagte Weidel: „Zutrauen kann man sich viel. Aber das ist völlig offen, wer dort antritt.“

Weidel: AfD will Kanzlerkandidaten aufstellen

Normalerweise benennen nur Parteien mit realistischer Chance auf das Amt des Regierungschefs einen Kanzlerkandidaten. Die Partei, deren Werte in den vergangenen Wochen auf Rekordhöhe geschnellt waren, sieht diese Chance offenbar. Ob die anderen Bundestagsparteien eine Zusammenarbeit vehement ablehnen hin oder her. Die AfD liegt in einer aktuellen Forsa-Umfrage mit 19 Prozent nach wie vor fast gleichauf mit der Kanzlerpartei, die unverändert bei 18 Prozent liegt. Aus dieser Position heraus einen Kanzlerkandidaten anzukündigen, zeigt das Selbstverständnis, den Anspruch der Partei – und für die Demokratie in Deutschland eine gewisse Dramatik. Die Grünen sind mit 15 Prozent einen Prozentpunkt gestiegen, die FDP bleibt bei sieben Prozent.

Im Vergleich zu den bombastischen Werten aus dem vergangenen Jahr, die bei 20 Prozent lagen, kann man bei den Grünen weiter von einer stark bröckelnden Zustimmung sprechen. Die Mischung aus Graichen-Affäre und vor allem Habecks Heizungsgesetz-Ärger hatte zuletzt für Frust bei den Wähler:innen gesorgt, wie Wahlforscher:innen analysierten. Zudem wird der Partei immer wieder vorgeworfen, mit ihren Themen an den Problemen der breiteren Masse vorbei zu schrammen.

Auch die vermehrte Selbstkritik der letzten Tage konnte da nichts rumreißen. „Da müssen wir uns auch als Ampel selbst an die Nase fassen“, hatte die Parteivorsitzende Ricarda Lang im ZDF gesagt. „Der ständige Streit in den letzten Wochen, das Austragen von Konflikten auf offener Bühne statt am Verhandlungstisch und das Gehänge rund um das Heizungsgesetz waren da bestimmt kein Glanzstück“, sagte Lang. Man müsse mehr über Lösungen sprechen und weniger über den Streit miteinander. Und auch Robert Habeck hatte bei Anne Will davon gesprochen, selbst nicht zufrieden mit der Regierung zu sein.

AfD-Kanzlerkandidat:in im TV-Duell?

Bisher galt: Die Erfolge der Grünen sind die Misserfolge der AfD – nun dreht sich der Trend. Die Grünen schmieren ab, die AfD erstark in historischem Ausmaß. Zwar ist es noch etwas hin bis zur nächsten Bundestagswahl, aber was ist, wenn im Land weiterhin immer mehr Menschen wollen, dass eine ausgewiesen rechtsextreme Kraft an die Macht kommt?

Wäre morgen nun also Bundestagswahl, die AfD wäre zweitstärkste Partei. Heißt: Der oder die Kanzlerkandidat:in würde – neben SPD und Unions-Kandidat:in – mit im TV-Duell sein. Statt wie 2021 Annalena Baerbock würde also vielleicht Alice Weidel oder Tino Chrupalla mitdiskutieren. Dort würde vermutlich dann das zu sehen sein, was immer zu sehen ist, wenn prominente AfD-Politiker reden: Faktenfreie Stammelei, Verschwörungstheorien, Hetze.

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Noch ist überhaupt nicht in Stein gemeißelt, dass der AfD 2025 ein ähnliches Szenario wie den Grünen 2021 blüht. Damals konnten die Grünen Im Vergleich zu 2017 ihr Ergebnis fast verdoppeln. Und auch wenn Annalena Baerbock das Kanzleramt verfehlte, an einer Regierungsbeteiligung der Grünen führte kaum ein Weg vorbei.

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