Er wäre gern Kanzler, doch ein Forscher sagt: „Die Union hat ein Merz-Problem“
Es sei sehr wahrscheinlich, dass Unionskandidat Merz der nächste deutsche Bundeskanzler wird, sagt Wahlforscher Matthias Jung. Doch er sieht auch Schwächen – und gute Chancen für die Grünen.
Der Wahlforscher Matthias Jung attestiert Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz mit Blick auf die geplante Bundestagswahl Schwächen, die seinen Erfolg gefährden könnten. Merz habe in der Bevölkerung nur ein „mäßiges Image“, zu dem er selbst viel beigetragen habe und das ihm eine breite Unterstützung erschwere, sagte das Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Wahlen dem „Tagesspiegel“.
Merz habe sich „pointiert konservativ und wirtschaftsliberal positioniert, anstatt die gesamte Klaviatur der Union zu bespielen“. Die Union habe durch diese programmatische Einengung ein „Merz-Problem“, sagte Jung.
Experte sieht Unbeliebtheit bei allen Kandidaten
Jung verwies außerdem auf „eine gewisse Unbeherrschtheit“, die der Kandidat Merz mit sich bringe. „Das ist eine Gefahr für ihn selbst und damit für die Erfolgsaussichten der Union.“ Insgesamt rechnet der Experte Merz aber gute Chancen zu, nach der für Februar 2025 geplanten Wahl der nächste deutsche Bundeskanzler zu werden. „Die Wahrscheinlichkeit, dass Merz Bundeskanzler wird, ist recht hoch“, sagte er.
Zu den Chancen des amtierenden Kanzlers Olaf Scholz (SPD) äußerte sich Jung weniger optimistisch. Auf die Frage, ob es realistisch sei, dass Scholz wie im Wahlkampf 2021 auf den letzten Metern noch eine Aufholjagd hinlegen könnte, sagte Jung: „Es gibt keinen Grund dafür, dass sich eine spezielle Entwicklung eines einzelnen Wahlkampfes wiederholen lässt.“
Schon 2021 habe Scholz keine „massive Zustimmung“ in der Bevölkerung genossen. Nur die beiden Mitbewerber hätten noch weniger punkten können. Auch für 2025 rechne er wegen der Unbeliebtheit, die er bei allen Kanzlerkandidaten sehe, mit einem Ergebnis des „vermeintlich kleineren Übels“, sagte Jung.
Wahlforscher sieht gute Chancen für Habeck
Von dieser Ausgangslage könne am ehesten noch der Grünen-Kandidat Robert Habeck profitieren. „Bürgerliche Wähler, die sich weder als konservativ noch als links sehen, könnten sich für Habeck und sich relativ mittig präsentierende Grünen entscheiden.“ Derzeit seien die Grünen zwar für viele rechte Wähler „der Buhmann“. Bei Mitte-Wählern habe die Partei aber großes Potenzial. Die Mobilisierung gegen die Grünen ist aus seiner Sicht „ausgereizt“.
Wäre am Sonntag Bundestagswahl, käme die Union laut dem jüngsten ZDF-„Politbarometer“ vom 20. Dezember auf 31 Prozent, die AfD auf 19, die SPD auf 15 und die Grünen auf 14 Prozent. Die FDP könnte mit 3 Prozent den Einzug ins Parlament verpassen, genauso wie die Linke mit 4 Prozent. Das in diesem Jahr gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) läge bei 5 Prozent. Andere Umfragen sehen die Union zwischen 30 und 36 Prozent, die SPD zwischen 14 und 18 Prozent sowie die Grünen zwischen 12 und 14 Prozent.
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Wahlforscher Jung sieht für das BSW größere Hürden als bei den vergangenen Wahlen in Ostdeutschland, wo es aus dem Stand zweistellig abschnitt. „Bei den Landtagswahlen im September im Osten hatte das BSW ein vergleichsweise leichtes Spiel. Aber bei einer Bundestagswahl leben 80 Prozent der Wähler im Westen, wo Wagenknecht es schwerer hat“, sagte Jung. Es sei abzuwarten, ob es der neuen Partei gelingen werde, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen. Dass aber sowohl BSW als auch FDP und Linke an dieser Hürde scheitern könnten, hält er für unwahrscheinlich. (dpa)