EU-Heizplan: Sind 19 Grad wirklich zumutbar?
Die EU rechnet damit, dass Wladimir Putin noch im diesem Jahr den Gashahn zudrehen wird. Um die Folgen abzumildern, hat die Kommission einen Notfall-Plan entwickelt. In ihrem Papier wird klar: Je früher wir mit dem Energiesparen anfangen, desto besser lassen sich die Folgen begrenzen.
Der Notfall-Plan, der kommende Woche offiziell vorgestellt werden soll, sieht vor, dass öffentliche Gebäude, Büros und kommerzielle Gebäude ab Herbst nur noch bis bis maximal 19 Grad beheizt werden sollen. Die EU-Kommission unter ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen glaubt, dass sich die Auswirkungen einer Lieferunterbrechung durch Russland – was als „sehr wahrscheinlich“ eingestuft wird – um gut ein Drittel verringern lassen. „Die Erdgasnachfrage über einen längeren Zeitraum hinweg moderat zu senken, ist sehr viel kostengünstiger, als die Nachfrage plötzlich und ohne angemessene Vorbereitung drastisch zu drosseln“, heißt es in dem Papier.
EU-Kommission schlägt Auktionen zum Gassparen vor
Die EU schlägt unter anderem Auktionen vor, bei denen sich Unternehmen dafür entschädigen lassen können, wenn sie unmittelbar Gas einsparen. So könnten die Einsparpotentiale gefunden werden, die den geringsten ökonomischen Schaden anrichten.
Die Empfehlungen der Kommission sind rechtlich nicht bindend. Allerdings: Sie zu befolgen, könnte trotzdem klug sein. Denn wenn EU-Länder im Winter auf Gas-Lieferungen aus anderen Ländern angewiesen sein sollten, soll ein entscheidendes Kriterium bei der Verteilung sein, wie stark sich Länder zuvor bemüht hatten, Gas einzusparen.
19 Grad soll Orientierungshilfe für Privathaushalte sein
Ausdrücklich ruft die Kommission auch Privathaushalte zum Energiesparen auf. Zwang lehnt von der Leyen allerdings ab. Es sei gar nicht zu kontrollieren, wie Menschen ihre Wohnungen heizten. Die 19 Grad in öffentlichen Gebäuden sollten als „Orientierungshilfe“ für Privathaushalte dienen.
Nach Lage der Dinge werden die Menschen aber wohl ganz von selbst ein Interesse entwickeln, Gas einzusparen. Nach Einschätzung von Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, dürften sich die Abschläge für die Gasrechnung im Jahr 2023 verdreifachen. „Bei denen, die jetzt ihre Heizkostenabrechnung bekommen, verdoppeln sich die Abschläge bereits – und da sind die Folgen des Ukraine-Krieges noch gar nicht berücksichtigt“, sagte er dem RND. Seine Behörde gab am Donnerstag zudem bekannt, dass sich die Gasspeicher in Deutschland momentan leeren – statt sich zu füllen. Hintergrund: Der Bedarf ist groß, aber über Nord Stream I fließt momentan kein Gas. Ob sich dies nach Reperaturarbeiten ändert, ist unklar.
Kein Gas – keine pasteurisierte Milch mehr
Dazu kommt, dass immer mehr Experten inzwischen in Frage stellen, ob es sinnvoll ist, Privathaushalte im Winter uneingeschränkt vor der Industrie zu versorgen. Nun hat auch Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, diese Priorisierung in Zweifel gezogen.
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„Ich finde, der Minister hat Recht“, erklärte er mit Blick auf Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Dieser hatte erklärt, auch die Privathaushalte müssten in der Gaskrise „ihren Beitrag leisen“. Landsberg: „Wir diskutieren die Gasknappheit nur unter dem Aspekt unserer warmen Wohnungen, die wir uns alle wünschen. Aber wir verkennen, welche Bedeutung Gasknappheit für die Produktion hat.“ So werde etwa Milch mit Gas pasteurisiert. „Wenn es kein Gas mehr gibt, gibt es keine Milch mehr“, sagte Landsberg.