Ukraine-Konflikt
  • Russischer Panzer bei einer Truppenübung.
  • Foto: picture alliance/dpa/AP

Ukraine-Konflikt: Explodiert die Lage im Osten?

Steht Russland tatsächlich kurz vor einem Einmarsch in die Ukraine? Und kommt es demnach bald zum Krieg in Europa, der zu einem Flächenbrand werden könnte, der den ganzen Kontinent, die ganze Welt betrifft? Oder droht Russlands Präsident Wladimir Putin nur? Um seine geostrategischen Ziele zu erreichen? Unter anderem diese Fragen wird Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im Hinterkopf haben, wenn sie Anfang der Woche nach Kiew und nach Moskau reist. Mit im Gepäck hat sie diverse Ratschläge von verschiedensten Seiten.

Als um 1989/90 herum der Ostblock und das Militärbündnis „Warschauer Pakt“ zerbrachen, da wähnte unter anderem der Politologe Francis Fukuyama, dass das „Ende der Geschichte“ gekommen sei. Der Westen hat gewonnen, fertig. Heute wissen wir: Es war natürlich nur der Anfang eines neuen Kapitels. Und der aktuelle Konflikt um die Ukraine, in dem sich vor allem Washington und Moskau gegenüberstehen, mit einer teils recht hilflos wirkenden EU in der Mitte, der ist in gewisser Weise die Kulmination dessen, was seitdem passierte.

Bedrohliches Szenario vor Baerbocks Ost-Reise

Das Szenario jedenfalls, das Baerbocks Reise in den Osten im Hintergrund begleitet, ist bedrohlich: Bis zu 100.000 russische Streitkräfte sollen an der Grenze zur Ukraine bereit stehen. Manche Expert:innen fürchten, dass Russland nur noch darauf wartet, dass die Winterböden hart genug gefroren sind, um mit den Panzern los zu rollen. Und auch bislang unbeteiligte Staaten wie Schweden bereiten sich vor. Die Skandinavier haben Panzerfahrzeuge auf die Ostsee-Insel Gotland verlegt, nachdem die russische Marine mit drei Landungsschiffen durch den Großen Belt in die Ostsee gefahren war.

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, forderte von Baerbock nun Waffenlieferungen, die Welt stünde „vor der größten Gefahr eines riesigen Krieges mitten in Europa, des schlimmsten seit 1945“. Wäre allerdings schwierig, da die Ampel-Koalition solche Lieferungen für Krisengebiete eigentlich ausgeschlossen hat. Unter anderem Baerbocks Parteikollege Robert Habeck hatte bei einem Besuch in der Ukraine im vergangenen Jahr zumindest „Defensivwaffen“ wie Helme oder Schutzwesten in Aussicht gestellt.

Nach Russland-NATO-Gesprächen blieben Drohungen

Alle NATO-Russland-Gespräche der vergangenen Woche hatten keine Einigung gebracht. Immerhin: Sie fanden erstmals seit zweieinhalb Jahren wieder statt. Dennoch blieben am Ende Drohungen auf beiden Seiten. Vom Westen vor allem wirtschaftliche: Sanktionen, der Ausstieg aus Nord Stream 2, der Ausschluss Russlands vom internationalen Banken-Zahlungssystem Swift, sollten die Truppen die Grenze zur Ukraine überschreiten.


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Vor letzterem warnte nun der designierte CDU-Chef Friedrich Merz: „Swift infrage zu stellen, das könnte die Atombombe für die Kapitalmärkte und auch für die Waren- und Dienstleistungsbeziehungen sein“, sagte er der dpa. Vor allem Deutschland als Exportnation würde darunter erheblich mitleiden. Merz empfahl Baerbock, Waffenlieferungen nicht auszuschließen.

Strack-Zimmermann und Putins „Großmachtfantasien“

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), empfahl der Koalitionspartnerin Baerbock Härte. Putin pflege „Großmachtfantasien“ und wolle „zurück in die Zeit des Kalten Krieges“. Dialog wie vergangene Woche sei wichtig. Aber: Keine zu großen Zugeständnisse! Sonst fühle sich Putin in seinem Tun bestätigt.

Tatsächlich könnte es auch sein, dass Putin ein Drohszenario aufbaut, um ein weiteres Vorrücken der NATO zu verhindern. Noch 1990 soll der damalige US-Außenminister James Baker zugesagt haben, dass nach Ostdeutschland das westliche Militärbündnis sich „nicht einen Zoll ostwärts“ bewegen werde. Schriftlich wurde dies nie festgehalten. Bis heute aber beruft sich die russische Führung darauf und sieht sich mit Raketen vor der Haustür konfrontiert.

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Am Donnerstag hatte dann auch der russische Vize-Außenminister – ganz in Kalter-Kriegs-Rhetorik – bei weiteren Spannungen mit der Stationierung russischen Militärs in Venezuela und Kuba gedroht, vor der Haustür der USA. Verständlich etwa für Sevim Dagdelen von der Linken: „Wer die NATO immer weiter an die russischen Grenzen heranschiebt (…), darf sich nicht beschweren, sollte Russland in Kuba und Venezuela Soldaten stationieren.“

Die Außenministerin wird am Montag in Kiew und am Dienstag in Russland viel Geschick beweisen müssen, wenn sie dazu beitragen will, eine weitere Eskalation zu vermeiden.

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