FDP-Blockade: Wie Lindner den Atomstreit der Ampel eskalieren lässt
Nach der verkorksten Niedersachsen-Wahl hatte FDP-Chef Christian Lindner angekündigt, das Partei-Profil gegenüber den Partnern im Bund schärfen zu wollen. Nun macht er ernst: Der Finanzminister will dem von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplanten Streckbetrieb zweier AKW nicht zustimmen – alle drei sollen weiterlaufen. Damit könnte er ironischerweise das ganze Projekt gefährden, denn die Zeit drängt.
Seit Tagen schaukelt sich der Streit um die Kernkraftwerke hoch. Das Ganze kulminierte bislang im Auftritt der Klima-Ikone Greta Thunberg bei „Maischberger“. Zum einen konnte man sich da verwundert die Augen reiben, wer der Schwedin beisprang: Union und FDP. Zum anderen scheinen diese sich in den Kopf gesetzt zu haben, die alte Front der 80er und 90er – Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb – wieder aufleben zu lassen. Ungeachtet dessen, dass die Liberalen mit den einstigen (und neuen?) Feinden ja (noch?) in einer Koalition stecken.
Greta Thunberg als Verbündete von Schwarz-Gelb?
Was war passiert? „Eine schlechte Idee“ sei es, nun auf Kohlekraft zu setzen, so lange „das Andere“ – also die Atomkraft – noch existiere, so Thunberg in der ARD-Sendung. Tatsächlich will das Wirtschaftsministerium deutsche Kohlekraftwerke aus der Reserve holen, um die Stromerzeugung aus Gas zu reduzieren. Und zugleich zwei der drei noch verbliebenen AKW nicht wie ursprünglich geplant zum Jahresende abschalten, sondern als Notreserve bis Mitte April 2023 laufen lassen.
Die schwarz-gelbe Atom-Koalition jubelte: „Greta Thunberg hat recht“, so Johannes Vogel (FDP). Die Atomkraft weiterlaufen zulassen, sei physikalisch, ökonomisch und klimapolitisch richtig, befand auch Justizminister Marco Buschmann (FDP), dafür habe Thunberg einen weiteren Beleg geliefert. Und Gitta Connemann (CDU) schrieb: „Wie viele Argumente brauchen die Grünen eigentlich noch?“
„Klare Absprache“ der Ampel – null und nichtig?
Eigentlich war zwischen Kanzler Olaf Scholz, Lindner und Habeck vereinbart, dass zunächst vergangenen Mittwoch, dann am Montag der AKW-Streckbetrieb beschlossen werden soll. Dann plötzlich die Kehrtwende. Die FDP sehe „noch Klärungsbedarf“, ließ Lindner verkünden – einen Tag nach der Niedersachsenwahl.
Konkret will die FDP, dass nicht nur zwei, sondern alle drei verbliebenen AKW weiter laufen – auch Emden, möglichst bis ins Jahr 2024 oder darüber hinaus. Habeck reagierte empört: Es habe „eine klare Absprache“ gegeben. „Aufgrund politischer Unstimmigkeiten wurde aber von dieser Verständigung abgerückt.“
Isar 2 muss – zumindest laut Betreiber – bald repariert werden
Das Problem bei der FDP-Blockade: Das bayrische AKW Isar 2 hat ein undichtes Ventil. Um das auszutauschen, müsste die Anlage laut Betreiber eine Woche heruntergefahren werden – und zwar im Oktober. Sonst reichten die noch vorhandenen Brennstäbe eventuell nicht mehr, um das AKW überhaupt wieder hochfahren zu können. „Die Zeit drängt“, betont Habeck.
Auch aus einem anderen Grund: Einigen sich die Minister nicht zügig, gibt es keine Änderung und das bereits bestehende Kernkraftwerk-Gesetz gilt weiter. Und das besagt, dass alle AKW zum Jahresende schließen müssen. Auch deshalb wirkt Lindners Krawall-Kurs beinah ironisch: Am Ende könnte es für ihn statt dreier Meiler im Streckbetrieb keinen einzigen geben.
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CDU-Chef Friedrich Merz indes reihte sich bei „Maischberger“ bei den neuen Greta-Fans ein: „So wie Greta Thunberg das auch sieht“, wolle er die AKW „mindestens bis Ende 2024“ laufen lassen. Hatte die Klima-Aktivistin so nur nie gesagt, wie Maischberger den CDU-Chef sogleich rüffelte. Sie setzt weiter auf erneuerbare Energien. Und Atomkraft nur zur Not, aber ohne konkretes Laufzeitdatum.