Ein Ausschnitt aus dem Interview im belarussischen Sender ONT.
  • Foto: Screenshot/ONT

Folter-TV: Verhafteter Blogger „schwärmt“ von Belarus-Diktator

Das waren die wohl die niederträchtigsten 90 Fernsehminuten des Jahres: Der belarussische Staatssender ONT hat ein anderthalbstündiges „Interview“ mit dem verhafteten Oppositionellen und Blogger Roman Protassewitsch ausgestrahlt. Darin legt der 26-Jährige ein „Geständnis“ ab, das erkennbar unter dem Eindruck von Misshandlungen zustande gekommen ist.

Die belarussische Staatspropaganda hatte das Folter-Fernsehen in einem  Trailer als die „Enthüllung schrecklicher Geheimnisse“ angekündigt. Protassewitsch sitzt in einem abgedunkelten Raum ONT-Chef Marat Markow gegenüber. Nur ihre Gesichter sind angestrahlt. Ob er Machthaber Alexander Lukaschenko respektiere, will Markow wissen. „Absolut. Ich verehre ihn“, antwortet Protassewitsch.

Über das Regime in Minsk äußert sich Protassewitsch nur noch positiv

Dann gesteht er mit gebrochener Stimme, dass er unrechtmäßig Massenproteste gegen Lukaschenko organisiert habe. Über das Regime in Minsk äußert er sich nur noch positiv, die belarussische Opposition bezeichnet er als „zerstritten und geldgierig“. In Freiheit hatte er anders geredet. Protassewitsch war vor zwei Wochen aus einem Flugzeug heraus in Minsk verhaftet worden. 

Während des Gesprächs sind immer wieder die Handgelenke des Gefangenen zu sehen. Sie sind tief eingeschnitten und entzündet, was dafür spricht, dass er die meiste Zeit Handschellen trägt. Am Ende der Propagandashow bricht der 26-Jährige in Tränen aus. „Ich will doch nur ein normales Leben führen. Ich will einmal heiraten und Kinder bekommen“, schluchzt er. Der Journalist Matthew Luxmoore schrieb auf Twitter: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, welchen Bedrohungen er ausgesetzt war.“

„Mithilfe von Gewalt kann man Menschen dazu bringen, das zu sagen, was man will“

Auch die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja ist sich sicher, dass Protassewitsch unter Druck gesetzt wurde. „Mithilfe von Gewalt kann man Menschen dazu bringen, das zu sagen, was man will“, erklärte sie in ihrem Warschauer Exil.

Auch die Bundesregierung nannte das Gespräch „menschenverachtend“ und sprach von einer „Schande“. (cmb/dpa)

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