„Geht’s noch?“ Niedersachsen-Ministerpräsident Weil geht auf Söder los
Deutschland muss so schnell wie möglich unabhängig von russischer Energie werden – aber wie? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht Niedersachsen in der Pflicht. Dort zeigt man sich nun irritiert und fragt sich: Wieso kehrt Söder nicht vor seiner eigenen Tür?
„Der Süden fordert Fracking im Norden“: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat in einem „SZ“-Interview die niedersächsische Regierung unter Druck gesetzt, die Förderung lokaler Erdgasvorräte mittels der umstrittenen Fracking-Methode zu prüfen. Söders Amtskollegen Stephan Weil platzt deshalb nun die Hutschnur. „Geht’s noch?!“, fragte der SPD-Politiker am Samstag via Twitter.
Der Vorschlag aus Bayern wird in Hannover offenbar als dreist und übergriffig wahrgenommen: „Lieber Markus Söder, wie wär’s endlich mit Windkraft in Bayern?“, fügte Weil in seinem Tweet hinzu.
Verschleppt Bayern gezielt den Ausbau von Windkraft?
In der Tat werfen unter anderem Klimaaktivisten der Regierung in München vor, den Ausbau erneuerbarer Energien wie etwa Windkraftanlagen seit Jahren gezielt zu verschleppen. Absurde Abstandsregeln und komplizierte Bürokratie sorgten dafür, dass etwa 2021 im flächenmäßig größten Bundesland nur acht Anlagen neu in Betrieb gingen – gleichzeitig wurden zwei wieder vom Netz genommen.
Zum Vergleich: Deutschlandweit nahmen 2021 insgesamt 460 Windrad-Anlagen den Betrieb auf. „Bei der Windkraft sind wir in Bayern jetzt auf dem Nullpunkt angelangt“, sagte der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Martin Stümpfig, zur bayerischen Bilanz.
Söder: Bayern eignet sich nicht für Windkraft
Söder argumentierte wiederholt, der Windkraftausbau sei wichtig, aber sein Bundesland nicht der richtige Ort dafür: „In Bayern eignen sich weniger Flächen für Windkraft, so dass dann in wenigen Gebieten sehr viele Windräder geballt stehen müssten – mit allen Akzeptanzproblemen, die das in der Bevölkerung auslöst“, sagte er etwa dem „Handelsblatt“. Laut Stümpfig ist das aber Quatsch: Mehr als die Hälfte der bereits jetzt als geeignet ausgewiesenen Windkraftflächen in Bayern seien noch frei, betonte er Anfang 2022.
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Das Thema Windkraft ist ein rotes Tuch im Freistaat – bereits Söders Vorgänger Horst Seehofer sperrte sich gegen einen weiteren Ausbau. Auf ihn geht die 2014 erlassene 10H-Regel zurück. Sie schreibt vor, dass der Abstand eines Windrades zu Wohnsiedlungen mindestens das Zehnfache der Bauhöhe betragen muss. Söder deutete jüngst jedoch an, diese Regel anpassen zu wollen.
Fracking ist derzeit in ganz Deutschland verboten
Der CSU-Chef hatte in der „SZ“ mit Blick auf die Energieknappheit infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine die Frage der Nutzung heimischer Gasreserven aufgeworfen. „Fracking von gestern will keiner. Aber es ist sinnvoll zu prüfen, ob es neue und umweltverträgliche Methoden gibt“, so der Bayer. „Vor allem in Niedersachsen gibt es nach Ansicht von Experten große Erdgasfelder“, fügte er hinzu.
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Niedersachsens Wirtschaftsminister und CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 9. Oktober, Bernd Althusmann hatte sich aber vor wenigen Tagen ablehnend zum Fracking geäußert: „Fracking in unkonventionellen Erdgaslagerstätten ist momentan bundesweit verboten“, sagte er. Vor einem Einstieg in diese umstrittene Technologie sollten zunächst alle anderen Optionen ausgeschöpft werden.
Beim derzeit in Deutschland verbotenen Fracking wird Gas oder Öl mit Hilfe von Druck und Chemikalien aus Gesteinsschichten herausgeholt, was Gefahren für die Umwelt birgt. (mik)