„Spaltung der Gesellschaft“ droht: Friseurbesuch bald nur noch für Reiche?
Sind Handwerks-Leistungen bald zu teuer für die meisten? Das befürchtet der neue Chef des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Außerdem bräuchten wir viel mehr Zuwanderung. Andernfalls drohten dank Fachkräftemangel bald noch längere Wartezeiten, noch höhere Preise, gar der Zusammenbruch vieler Betriebe.
Fachkräftemangel – seit Jahren ist er in aller Munde. Und doch verhallen die Warnungen bisher oft ungehört. Vielleicht weil das Stichwort so abstrakt klingt. Der neue ZDH-Chef Jörg Dittrich hat in einem denkwürdigen Interview nun ganz plastisch gemacht, was es für uns alle bedeuten könnte, wenn die Personalnot nicht entschiedener bekämpft wird.
Irre Wartezeiten:
„Ich kann nicht ausschließen, dass wir in einem Jahr nicht mehr drei, sondern sechs Monate auf einen Handwerker warten müssen“ so Dittrich im Interview mit der „BamS“. Seit 1. Januar 2023 ist er offiziell ZDH-Chef. Der Grund für die verheerende Entwicklung: „Wir haben einfach zu wenig handwerkliche Fachkräfte.“ Es sei dort „nicht mehr fünf vor, sondern zwei nach Zwölf“.
Die konkreten Zahlen:
Offiziell seien derzeit 153.000 offene Stellen im Handwerk gemeldet, de facto seien es aber mehr als 250.000 Fachkräfte, die fehlen. Dittrichs Prognose: Allein in den nächsten fünf Jahren stünden 125.000 Betriebsnachfolgen an, müssten also neue Besitzer gefunden werden. Die entsprechend gut ausgebildet sind. Gehe man von durchschnittlich sechs Mitarbeitern pro Betrieb aus, seien also rund 750.000 Arbeitsplätze dadurch bedroht.
Die Handwerks-Kosten:
Der Fachkräftemangel allein macht Dittrich in dem Fall nicht mal die größten Sorgen. Auch wenn der mit dafür sorgt, dass die Preise in die Höhe schnellen, weil gelernte Handwerker entsprechend umgarnt und gut bezahlt werden. Schon jetzt kostet eine Handwerker-Stunde 45 bis 65 Euro. Dittrichs 2023-Prognose: Das könnte noch mehr werden!
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„Wir müssen aufpassen, dass Handwerksleistungen für weite Teile der Bevölkerung nicht unbezahlbar werden“, so Dittrich. Eine „Spaltung der Gesellschaft“ drohe. Etwa in solche, die sich den Friseur leisten können oder eben nicht.
Die weiteren Gründe:
Material- und Energiekosten stiegen für die Betriebe, so Dittrich. Außerdem die Beiträge für Krankenkassen, Pflegeversicherungen oder die Berufsgenossenschaften. Und vom Staat kämen jeweils noch 19 Prozent Mehrwertsteuer drauf.
Mögliche Lösungen:
„Wir brauchen Zuwanderung“, so Dittrich. Und zwar nicht nur bereits super Ausgebildete, sondern alle, die gerne arbeiten möchten und die grundsätzliche Befähigung haben. Und für die bräuchte es schnellere Visa, weniger bürokratische Hürden, dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Aber auch das Handwerk an sich müsse besser gestellt werden: Etwa vergleichbare Vergünstigungen für Azubis wie für Studierende, weniger Spitzensteuersätze für Bauleiter, flexiblere Zeiten für‘s Renten-Einstiegsalter. (km)