Baerbock unter Druck: Forscher spricht von „Schmutzkampagne“
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat im Cum-Ex-Finanzskandal versagt. CDU-Chef Armin Laschet ließ von seinem Sohn fragwürdige Schutzkleidungsdeals einfädeln und hat seinen Lebenslauf aufgehübscht. Die Schlagzeilen beherrscht aber immer wieder die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock mit einer Serie von wohl vermeidbaren Fehlern. Die Grünen wittern eine Rufmordkampagne. Wissenschaftler sehen das ähnlich.
In Baerbocks Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ finden sich einige Formulierungen, die in anderen Veröffentlichungen sehr ähnlich klingen. Das Buch einer Kanzlerkandidatin ist keine Doktorarbeit, muss also nicht wissenschaftlichen Standards genügen. Vor allem bei Twitter und bei Springers „Bild“ ist die Empörung trotzdem groß. Dort hagelt es Spott und vermeintlich brisante Enthüllungen.
„Sie wird als schlampig dargestellt“
Baerbock war allerdings im Wahlkampf auch schon zwei Mal negativ aufgefallen: Zunächst musste sie eine Zahlung ihrer Partei an sie bei der Bundestagsverwaltung nachmelden, dann Stellen in ihrem Lebenslauf korrigieren.
Dennoch: „Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es von politisch interessierter Seite eine Schmutzkampagne gibt“, sagt der Parteienforscher Lothar Probst von der Uni Bremen. Als Beispiel nennt er eine von Arbeitgeber-Verbänden bezahlte Kampagne, die Baerbock als verbotswütige Moses-Figur zeigte. Aber auch jeder Bericht ähnlicher Machart würde Wirkung hinterlassen: „Da wird ihre Glaubwürdigkeit, Seriosität und Autorität untergraben, sie wird als schlampig dargestellt.“
Gleichzeitig wundert sich der Politikwissenschaftler, dass die Grünen so schlecht auf erwartbare Angriffe vorbereitet waren: „Da sind Fehler passiert, die nicht passieren dürfen“, sagt er mit Blick auf Baerbocks Lebenslauf. Probst hält es auch für einen Fehler, dass Baerbock überhaupt ein Buch geschrieben hat. „Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt verzichtbar gewesen.“ Denn es habe im Prinzip nur bereits bekannte Positionen wiedergegeben.
Zurückhaltung bei der politischen Konkurrenz
Die direkte politische Konkurrenz geht mit dem Plagiatsvorwürfen bisher zurückhaltend um, Laschet etwa verzichtete bisher auf großes Tamtam. Von der SPD kam dagegen sogar unerwartet Rückendeckung: „Ich finde, die Art und Weise, wie die Frau attackiert wird, unsäglich“, sagte Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz dem „Tagesspiegel“. „So darf man in der Politik nicht miteinander umgehen. Dieser mangelnde persönliche Respekt, der ist gefährlich“.
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Indes ist der politische Schaden für Baerbock aber wohl schon angerichtet – Schmutzkampagne hin oder her. Trotzdem müssten sich die Grünen gegen Vorwürfe wehren, sagt Probst.
„Nicht über jedes Stöckchen springen“
Aber wenn sie aus der Defensive kommen wollten, müssten sie versuchen, eine inhaltliche Wahlkampf-Auseinandersetzung zu führen. Baerbock empfiehlt er Gelassenheit: „So wie Angela Merkel ihre Konkurrenten reihenweise hat abperlen lassen, ohne über jedes hingehaltene Stöckchen zu springen.“