Spessart in Kiel
  • Das Tankschiff „Spessart“ ist veraltet und muss ausgetauscht werden.
  • Foto: picture alliance/dpa/Frank Molter

Krasser Tankschiff-Fall: Die Milliarden-Sickergrube Bundeswehr

Diese Nachricht kam gewissermaßen zur Unzeit. Laut einem Recherche-Verbund von NDR, WDR und SZ soll die Bundeswehr 250 Millionen Euro zu viel für zwei neue Tankschiffe bezahlt haben. Ausgerechnet während der Debatte um das 100-Milliarden-Sondervermögen. Und zu einem Zeitpunkt, da Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) wegen mehrerer Patzer angeschlagen ist. Der aktuelle Fall reiht sich aber ein in eine Abfolge etlicher vergleichbarer Pannen.

Offenbar mehrfach schrillten die Alarmglocken beim Ausschreibungsprozess zu zwei neuen Tankschiffen für die Bundeswehr. Die „Spessart“ und die „Rhön“ sind veraltet, könnten mit nur einer Hülle bei einer Havarie für eine Umweltkatastrophe sorgen. Den Zuschlag – noch unter Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) – für zwei neue Schiffe mit zwei Hüllen erhielt die Tochterfirma NVL der Bremer Lürssen-Werft. Eingeplant waren ursprünglich 570 Millionen Euro, NVL wollte 870.

Drei Warnungen gab es, alle wurden überhört

Theoretisch hätten nun gleich drei Warnungen gehört werden können. Bundeswehrintern wurde der Betrag offenbar schon im Frühsommer 2021 als „exorbitant hoch“ eingeschätzt. Eine weitere Einschätzung gab es vom Bundesrechnungshof. Der meldete „erhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit“ des Projekts an. In der Tat gibt es seit Jahren keinen Prüfungsbericht der Behörde, in dem die Bundeswehr nicht negativ erwähnt wird.


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Beispiel „Gorch Fock“: Als das Segelschulschiff der deutschen Marine Ende 2015 zu Reparaturen in die Werft kam, rechnete man mit Kosten von zehn Millionen Euro. In mehreren Sprüngen wurden es Stand heute 135 Millionen. Und als Anfang 2017 die Sanierung bereits 75 Millionen Euro kosten sollte, drückte die Vorgängerin von Lambrecht und Kramp-Karrenbauer, Ursula von der Leyen (CDU), durch: Die „Gorch Fock“ segelt weiter. Später folgte eine schwere Rüge des Rechnungshofs.

Milliarden für Fregatten, Flugzeuge oder Handfunkgeräte

Beispiel Eurofighter: Bis zu 40 Flugstunden könnten Kampfpiloten in den deutlich günstigeren Eurofighter-Simulationen leisten, so der Rechnungshof 2017. Aber: Kein einziger habe es in den zwei Jahren zuvor auf mehr als 30 Stunden gebracht. Zudem seien schon bezahlte Simulatoren-Flugstunden einfach nicht genutzt worden.

Die traurige Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen: Eine Milliarde für die Sanierung veralteter Flugzeuge, drei Milliarden für kaum genutzte Fregatten oder eine Million für nicht benötigte Handfunkgeräte? Immer wieder gab die Bundeswehr laut Rechnungshof zu viel Geld aus.

Zuletzt lag Deutschland mit einem Verteidigungsetat von 52,8 Milliarden Dollar auf Platz sieben weltweit, bald sollen es 100 Milliarden Euro werden.

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Bei den Tankschiffen hatte es gar eine letzte Warnung der Experten des Beschaffungsamtes der Bundeswehr gegeben. 620 Millionen Euro, also 250 Millionen weniger als die verlangten 870, seien realistisch. Die Amtsführung empfahl dennoch die Anschaffung. Nun hat Christine Lambrecht mit den Folgen zu leben. Laut Recherche-Verbund könne es sogar sein, dass auch Amtsvorgängerin Kramp-Karrenbauer nie von den Warnungen erfahren habe.

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