Mariupol: Die letzte Schlacht um das „Herz des Krieges“
Der erwartete Großangriff des russischen Militärs in der Ost-Ukraine hat begonnen. Nach Angaben aus Kiew gingen Putins Soldaten auf der gesamten Länge der Front (480 Kilometer) in die Offensive. Die „Schlacht um den Donbass“ lässt nichts Gutes erwarten. Endzeitliche Szenen spielen sich auch in dem seit Wochen umkämpfen Mariupol ab.
In der strategisch wichtigen Stadt am Schwarzen Meer haben sich etwa 2500 ukrainische Soldaten (vor allem des umstrittenen Regiments „Asow“) in dem Stahlwerk Asovstal verschanzt. Nach ukrainischen Angaben befinden sich auch 1000 Zivilisten – vor allem Frauen und Kinder – auf dem elf Quadratkilometer großen Werksgelände. Der Rest von Mariupol ist bereits komplett unter russischer Kontrolle. Die Stadt gilt als „Herz des Krieges“. Wenn Mariupol fällt, dann fällt die Ukraine, warnen ukrainische Kämpfer seit Wochen.
Putin droht mit der „totalen Vernichtung“
Wohl auch deshalb ignorierte sowohl die Regierung in Kiew als auch die Kämpfer vor Ort mehrere Ultimaten zur Aufgabe aus Moskau. So gab der russische Generaloberst Michail Misinzew allen, die ihre Waffen niederlegten, eine Garantie für „Leben, völlige Sicherheit und medizinische Versorgung“. Wladimir Putin drohte für den Fall der Nicht-Aufgabe mit der „totalen Vernichtung“. Das Werk in Mariupol war vor dem Krieg für ein Drittel der ukrainischen Stahlproduktion verantwortlich. Außerdem ist die Stadt wichtig für das russische Militär, weil es eine Landverbindung zur 2014 besetzten Krim herstellen würde.
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Unterschiedliche Angaben machten die beiden Seiten über die Einrichtung von „humanitären Korridoren“. Während der Kreml eine vorübergehende Waffenruhe angekündigt hatte, erklärt man in Kiew, es gebe keine Fluchtmöglichkeit für Zivilisten. Überprüfen ließ sich weder das eine, noch das andere.
Russische Spezialtruppen „beginnen ihre Arbeit“
Für die Sicht der ukrainischen Regierung spricht allerdings eine Aussage des prorussischen Separatistenvertreters Eduard Bassurin. Er erklärte am Dienstagnachmittag in Moskau, es seien „spezielle Truppen zusammengestellt worden“, die mit „ihrer Arbeit begonnen hätten“. Russische Luftwaffe und Artillerie unterstützen sie dabei. Nach ukrainischen Angaben werden durch den Widerstand in Mariupol etwa 14.000 russische Soldaten plus schweres Gerät gebunden.
Die könnte Putin wohl auch in Luhansk und Donezk gebrauchen, wo seit Dienstag nun verstärkt gekämpft wird. Nach Angaben des Gouverneur des ostukrainischen Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, hielten die Verteidigungslinien der Ukrainer zunächst. In Rubischne und Popasna seien russische Angriffe zurückgeschlagen worden, erklärte er im ukrainischen TV.
Experte rechnet mit langem Abnutzungskrieg
Nach Ansicht von Militär-Experten geht es Russland darum, große Teile der ukrainischen Arme von Norden und Süden in den beiden Provinzen einzukesseln, um sie dann aufreiben zu können. Der Politikwissenschaftler Carlo Masala glaubt aber nicht an den schnellen Erfolg einer Seite: „Es könnte auf einen Abnutzungskrieg hinauslaufen, der möglicherweise sehr, sehr lange dauern wird“, erklärt er in seinem Podcast.
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Masala erwartet eine weitere Verschärfung des Kriegs auch gegen die Zivilbevölkerung. „Die systematische Verletzung des humanitären Völkerrechts ist Teil der russischen Strategie“, sagte er. Putin versuche, seine Ziele mit maximaler Brutalität zu erreichen.
Putin zeichnet Butscha-Brigade als „Garde“ aus
Wie zur Bestätigung dieser düsteren Prophezeiung zeichnete Putin nun die 64. russische motorisierte Infanteriebrigade mit einem Ehrentitel einer „Garde“ aus – für „vorbildliche Tapferkeit und Mut“. Die Brigade war bis vor kurzem in Butscha stationiert. Der Ort gilt inzwischen weltweit als Symbol für russische Kriegsverbrechen an ukrainischen Zivilisten.