Bericht: Kanzleramt hat Top-Moderatorin für Interview mit Scholz bezahlt
Eine prominente Fernsehjournalistin, als ehemalige „Tagesschau“-Sprecherin hochdekoriert, im PR-Dienst des Bundeskanzlers? Recherchen der „taz“ haben ergeben, dass Linda Zervakis bei einem Podiums-Gespräch mit Olaf Scholz (SPD) nicht als unabhängige Interviewerin gearbeitet hat, sondern vom Regierungschef persönlich engagiert wurde – und vom Kanzleramt eine „Kostenpauschale“ erhalten hat.
Das Interview auf der Berliner Digitalkonferenz „re:publica“ im Juni 2022 hatte von Anfang an für Kritik gesorgt. Etlichen Reportern war damals aufgefallen, dass Scholz seine üblichen vage-nebulösen Gemeinplätze – in diesem Fall zum „Stand der Digitalisierung in Deutschland“ – ausbreiten konnte, ohne von der jetzigen Pro7-Journalistin mit kritischen Nachfragen behelligt zu werden.
Woran das vermutlich lag, hat die Berliner „tageszeitung“ („taz“) vor wenigen Wochen enthüllt: Scholz hatte es zur Bedingung für seinen Messe-Auftritt gemacht, dass Zervakis das Gespräch führt. Eine Ansage, die bei den Organisatoren der „re:publica“ laut „taz“ für kontroversen Diskussionsstoff sorgte. Letztlich entschieden sich die Verantwortlichen aber für den öffentlichkeitswirksamen Besuch von Scholz – auch, wenn dieser seine eigene Moderatorin mitbringt. Transparent gemacht wurde das allerdings nicht.
Medien-Recherche: Kanzleramt bezahlt Linda Zervakis für Interview
Unklar blieb jedoch zunächst, ob und wieviel Honorar Zervakis für den Auftritt bekommen hat. Das hat die „taz“ nun nachrecherchiert. Ihrem Manager Ansa Seidenstücker zufolge bekam die Moderatorin: gar nichts. Aber eine Kostenpauschale hat das Kanzleramt gezahlt. Die Höhe ließ sich ein Regierungssprecher erst entlocken, als die „taz“ bereits auf Bekanntgabe des Betrages geklagt hatte: 1130,50 Euro brutto.
Welche Kosten damit gedeckt werden sollten sind, ließ das Kanzleramt offen – bei einer Pauschalzahlung sei das nicht aufzuschlüsseln. Die Reisekosten vom Pro7-Standort München nach Berlin hat Zervakis zumindest vom Sender zurückbekommen. Eine Übernachtung fiel laut „taz“ nicht an.
Kanzleramt bezahlt Ex-„Tagesschau“-Moderatorin Zervakis
Könnte es sich bei dem Geld um ein verstecktes Honorar gehandelt haben? Den Verdacht wollte Zervakis nicht in der Zeitung lesen und klagte auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Den Antrag zog sie allerdings wieder zurück, als ihr das Landgericht Hamburg fehlende Erfolgsaussichten signalisierte.
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Pro7 hingegen hält den Betrag dem Bericht zufolge gar nicht für übermäßig hoch – eher im Gegenteil: „Mit der Kostenpauschale von 1130,50 Euro können wir für einen Moderationsauftritt nicht die Kosten für Styling und Maske bezahlen.“ (mp)