Bundeskanzler Olaf Scholz
  • Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält im Bundestag zum Krieg in der Ukraine eine Regierungserklärung.
  • Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Milliarden-Summen! Scholz will Bundeswehr aufrüsten – wichtige Rolle für den Norden

Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist eine Zeitenwende, sagt Kanzler Scholz. Die Folge: Deutschland soll in seinen Augen in Sachen Militär massiv aufrüsten. Außerdem ist geplant, sich rasch möglichst unabhängig von russischen Energieträgern zu machen. Eine entscheidende Rolle dabei dürfte Norddeutschland spielen.

Als Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine will Deutschland seine Verteidigungsausgaben massiv erhöhen. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte am Sonntag im Bundestag ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro an. „Die Mittel werden wir für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben nutzen“, sagte der SPD-Politiker in der Sondersitzung des Parlaments. „Wir werden von nun an – Jahr für Jahr – mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“

Scholz betonte: „Wir werden deutlich mehr investieren müssen in die Sicherheit unseres Landes. Um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen.“ Dies sei eine „große nationale Kraftanstrengung“.

Olaf Scholz: In Norddeutschland sollen bald LNG-Terminals entstehen

Gleichzeitig soll die Abhängigkeit von russischem Erdgas rasch beendet werden. Dafür sollen zwei Terminals für Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland gebaut werden, wie der Kanzler ankündigte. Scholz nannte als Standorte Brunsbüttel und Wilhelmshaven. Auch Stade könnte dafür in Frage kommen, wie bisherige Überlegungen zu möglichen LNG-Terminals in Deutschland zeigen.

Ein LNG-Terminal, in dem heute Gas ankomme, könne morgen auch grünen Wasserstoff aufnehmen, sagte Scholz weiter. Zwar gibt es in der EU viele Terminals für Flüssigerdgas, das etwa aus den USA oder Katar kommt – aber bisher kein eigenes in Deutschland. Planungen dafür gibt es seit längerem, die Gasbranche beklagte aber unzureichende Rahmenbedingungen für Investitionen.

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Der Kanzler sagte, man werde mehr tun, um eine sichere Energieversorgung Deutschlands zu gewährleisten. Die Importabhängigkeit von einzelnen Energielieferanten solle überwunden werden, betonte er mit Blick auf Russland. „Eine verantwortungsvolle, vorausschauende Energiepolitik ist nicht nur entscheidend für unsere Wirtschaft und unser Klima, sondern entscheidend auch für die deutsche Sicherheit.“ Je schneller der Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland vorangetrieben werde, desto besser. 

Scholz: Deutschland erlebt Zäsur in der deutschen Außenpolitik

Noch einmal verurteilte der Kanzler zudem den russischen Angriff auf die Ukraine scharf. Mit dem Überfall auf die Ukraine habe Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen. Dies geschehe aus einem einzigen Grund: „Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime in Frage. Das ist menschenverachtend. Das ist völkerrechtswidrig. Das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen.“

Was die Welt gerade erlebe, sei „eine Zeitenwende“, sagte Scholz. „Das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor.“ Im Kern gehe es um die Frage, ob Macht das Recht brechen dürfe und ob es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gestattet werden könne, die Uhren in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts zurückzudrehen. „Oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen“, betonte Scholz.

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Deswegen erlebe man gerade auch eine Zäsur in der deutschen Außenpolitik. Zwar bleibe der Anspruch: „So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein“. Nicht naiv zu sein bedeute aber auch: „Kein Reden um des Redens willen.“ Für einen echten Dialog brauche es die Bereitschaft dazu – auf beiden Seiten. Putin mangele es daran offensichtlich. Zugleich betonte Scholz: „Wir werden uns Gesprächen mit Russland nicht verweigern.“ Auch in der extremen Lage sei es Aufgabe der Diplomatie, Gesprächskanäle offen zu halten. Alles andere sei unverantwortlich.

Scholz: Putin sollte Entschlossenheit Deutschlands nicht unterschätzen

Scholz machte außerdem deutlich, dass es nun auch darum gehe, zu verhindern, dass „Putins Krieg auf andere Länder in Europa übergreift“. Deutschlands Beitrag sei klar: „Ohne Wenn und Aber stehen wir zu unserer Beistandspflicht in der Nato. Das habe ich auch unseren Alliierten in Mittel- und Osteuropa gesagt, die sich um ihre Sicherheit sorgen.“ Putin solle die Entschlossenheit Deutschlands, „gemeinsam mit unseren Alliierten jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets zu verteidigen“, nicht unterschätzen, mahnte der Bundeskanzler.


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Deutschland stehe an der Seite der Ukraine, aber auch „an der Seite all jener in Russland, die Putins Machtapparat mutig die Stirn bieten und seinen Krieg gegen die Ukraine ablehnen“, sagte Scholz weiter. „Wir wissen, Sie sind viele. Ihnen allen sage ich: Geben Sie nicht auf!“, appellierte Scholz. Er sei sich „ganz sicher“, dass Freiheit, Toleranz und Menschenrechte sich in Russland durchsetzen würden, sagte der Kanzler.

Scholz sendete auch eine versöhnliche Botschaft an alle Bürger Deutschlands, die in der Ukraine oder in Russland geboren wurden: Deutschland werde „nicht zulassen, dass dieser Konflikt zwischen Putin und der freien Welt zum Aufreißen alter Wunden und zu neuen Verwerfungen führt“, versprach der Kanzler.

Ex-Bundespräsident Gauck umarmt ukrainischen Botschafter

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sprach bereits zur Eröffnung der Sitzung von einem „Angriff auf die Prinzipien der freiheitlichen Welt“. Dies seien „Prinzipien, die für Deutschland und für alle Demokratien weltweit unverhandelbar sind“. Die Abgeordneten begrüßten den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk, der auf der Gästetribüne saß, mit minutenlangem Beifall. Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck, der neben ihm saß, umarmte den Botschafter. Vor dem Reichstagsgebäude wehte die ukrainische Flagge.

Joachim Gauck umarmt auf der Tribüne im Bundestag den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk. IMAGO / Political-Moments
Joachim Gauck umarmt auf der Tribüne im Bundestag den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk.
Joachim Gauck umarmt auf der Tribüne im Bundestag den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk.

„In Gedanken sind wir bei Ihren Landsleuten, die in diesen Tagen ihre Freiheit und die Demokratie verteidigen“, sagte Bas an die Adresse von Melnyk. „Wir konnten diesen Krieg kommen sehen. Verhindern konnten wir ihn nicht. Es ist schmerzhaft, sich das eingestehen zu müssen. Dennoch war es richtig, es auf allen diplomatischen Kanälen versucht zu haben. Jeder Krieg kennt nur Verlierer!“

Bas sagte weiter: „Es kommt jetzt darauf an, gleichermaßen besonnen und entschlossen zu handeln. Im Bündnis der demokratischen Staaten.“ (mik/dpa)

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