Monarchie-Gegner festgenommen: Wie groß ist der Einfluss der Royal-Muffel?
Seit dem Tod der Queen herrscht in Großbritannien Staatstrauer. Menschen im ganzen Land weinen vor TV-Kameras, legen Blumen nieder – und können sich seit gestern von ihrer aufgebahrten Regentin in London verabschieden. Aber: Nicht alle tragen Trauer. Monarchie-Gegner melden sich nach dem Tod der Queen wieder lauter zu Wort – und fordern: Endlich Schluss mit der antiquierten Seifenoper!
Zwei Festnahmen in Schottland, eine in der englischen Uni-Stadt Oxford – und energisches Eingreifen der Polizei, unter anderem, weil eine Frau ein Schild mit der Aufschrift „Not my King“ ( dt.: „Nicht mein König“) vor dem Londoner Parlament hoch hielt. Experten zeigten sich bereits besorgt über den Umgang mit Monarchie-Gegnern, die bei der Ausrufung des neuen Königs Charles III. sowie einem Trauerzug für die Queen protestiert hatten – und warnten vor einem Klima der Einschüchterung, sahen die freie Meinungsäußerung in Gefahr.
Queen-Tod: Festnahmen von Monarchie-Gegnern sorgen für Wirbel
Jodie Beck von der Organisation „Liberty“ sagte der BBC, es sei sehr beunruhigend, dass die Polizei ihre Befugnisse in einer hart durchgreifenden und bestrafenden Art und Weise nutze. „Die Möglichkeit zum Protest ist kein Geschenk des Staates, sie ist ein Grundrecht“, so Beck. Die Londoner Polizei wies auf die enorme Herausforderung für die Polizei bei den royalen Massenereignissen hin, versicherte jedoch auch, die Öffentlichkeit habe ein Recht auf Protest.
Trotzdem: Das, was in den britischen Medien derzeit dominiert, sind die Bilder eines Volkes, vereint in Trauer um die hochgeschätzte Jahrhundert-Monarchin. So sagt der 64-jährige Anti-Royalist Marc Tuft der Deutschen Presseagentur (dpa), dass Leute, die gerne über die Abschaffung der Monarchie sprechen wollten, derzeit nicht zu Wort kommen würden. Denn dies würde gerade eher als Respektlosigkeit ausgelegt werden. Er persönlich fühle sich von Elizabeths II. Tod jedoch in keiner Weise berührt.
Geschlossen scheint Großbritannien in der Tat nicht hinter ihrer königlichen Familie zu stehen – auch Royal-Muffel gibt es offenbar so einige. So richtete die BBC bereits im vergangenen Jahr, nach Prinz Philips Tod, ein Beschwerdeformular ein für die Menschen, denen der royale Rummel zu weit ging.
2021 kosteten die Royals so viel wie kaum zuvor
Mit die größte Stimme der Anti-Royalisten in Großbritannien ist Graham Smith, Sprecher der Interessengruppe „Republic“. Zwei Tage nach dem Tod der Queen forderte die Gruppe bereits eine „nationale Debatte“ über die Zukunft der Monarchie. Das Ziel von „Republic“: die Monarchie abzuschaffen und eine Republik mit einem gewählten Staatsoberhaupt einzuführen – am besten über ein von der Politik angesetztes Referendum. Großbritannien brauche eine ganz neue Verfassung, so Smith. Er sieht vor allem auch ein Problem darin, dass alles „geheim“ sei. „Das Geld, das sie ausgeben, der politische Einfluss, den sie haben.“
Aber was kosten die Royals den britischen Steuerzahler tatsächlich? Wie Statista-Zahlen zuletzt belegten, stiegen die Ausgaben für den Unterhalt der königlichen Familie in den vergangenen Jahren deutlich. Im Jahr 2021 waren es rund 87,5 Millionen Pfund. Dabei einer der größten Posten: Renovierungsarbeiten im Buckingham Palace.
Trotzdem: Für die meisten Briten ist „die Firma“, wie die royale Familie oft genannt wird, offenbar nach wie vor wichtig. Ein nationales Symbol, das mit seinen Traditionen, Ritualen und natürlich auch Seifenoper-ähnlichen Klatschgeschichten Kontinuität verspricht – und die Mitglieder zu Stars macht. Im Mai erst ergab eine YouGov-Umfrage, dass rund 61 Prozent der Menschen in Großbritannien es unterstützen, einen Monarchen zu haben. 24 Prozent waren für ein gewähltes Staatsoberhaupt.
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„Republic“ zufolge sprechen sich hingegen inzwischen mehr als ein Viertel der Briten für die Abschaffung der Monarchie aus. Doch wirklich gefährlich wird die Organisation „Republic“, die ein paar tausend Mitglieder hat und hauptsächlich durch Spenden am Leben gehalten wird, der britischen Monarchie wohl eher nicht. Und auch Ex-Labour-Parteichef und Monarchie-Gegner Jeremy Corbyn ist seit 2020 in der Versenkung verschwunden.
Großbritanniens Verflechtung von Krone, Politik und Kirche
Außerdem: Jedem öffentlichen Skandal und jeder Schlagzeile folgt in der britischen Öffentlichkeit meist die Frage nach der Berechtigung der Monarchie, wird die Geld schluckende, antiquierte Institution in Frage gestellt. Aber: Passiert ist bisher nichts. Vielmehr erscheint die Monarchie – trotz allem – nicht am Ende zu sein und den Briten eventuell auch ein gewisses Gefühl der Zugehörigkeit in Brexit-Zeiten zu geben.
Zudem ist die Wechselwirkung von Königshaus und Politik und Kirche in Großbritannien komplex – und einmalig in Westeuropa. Ein Jahrhunderte altes, verästeltet System, dessen Relevanz nach wie vor hoch ist. Und auch der Tod der Queen wird daran wohl nicht viel ändern.