Nach krasser Wahl-Klatsche: Wie geht es mit der CDU jetzt weiter?
Mainz/ Stuttgart –
Historisches Wahldebakel: Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz schnitt die CDU so schlecht ab wie nie. In beiden Ländern könnten SPD, FDP und Grüne nun Ampel-Bündnisse schmieden – und die CDU als je zweitstärkste Kraft außen vor lassen. In der Union wachsen Befürchtungen, dies könne ein Signal auch für den Bund sein.
Bei den Landtagswahlen zum Auftakt des Superwahljahrs hatten sich die Grünen in Baden-Württemberg und die SPD in Rheinland-Pfalz klar als stärkste Kraft behauptet. Kurz vor dem Ende der Ära von Kanzlerin Angela Merkel ist es eine schockierende Einsicht für viele in der Union: Nur noch sechs Monate bis zur Bundestagswahl, und das Rennen ums Kanzleramt ist offen. Die CDU landete am Sonntag zwar in beiden Ländern trotz Verlusten auf Platz zwei – Grüne, SPD und FDP können aber Bündnisse ohne sie schmieden.
Landtags-Wahlschlappe: CDU in der Krise
Das geben die Umfragen auf Bundesebene zwar (noch?) nicht her, aber SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wittert Morgenluft und stellt kämpferisch fest, eine Regierungsbildung ohne die CDU sei möglich, „bei der die SPD führen und den Kanzler stellen kann“. Hinzu kommt: Auch die Grünen könnten im Bund nochmal zulegen, wenn sie ihre möglichen Kanzlerkandidaten, Annalena Baerbock oder Robert Habeck, erst ausgerufen haben und dann geschickt in Szene setzen.
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Bei der CDU türmen sich zurzeit die Probleme. Geklärt werden muss nicht nur die K-Frage nach der Kanzlerkandidatur der Union, sondern auch die C-Frage nach der angemessenen Corona-Politik, die auch gutwillige Bürger immer öfter mit dem Kopf schütteln lässt. Viel Kritik gab es zuletzt vor allem an den CDU-Bundesministern Jens Spahn und Peter Altmaier wegen schleppender Corona-Impfungen, verschobener Massentestungen sowie verzögerter Nothilfezahlungen an Firmen und Selbstständige. Licht am Ende des Tunnels ist kaum in Sicht, denn die dritte Pandemiewelle baut sich auf, trotz langer Wintermonate im Lockdown.
Hinzu kommt die Korruptions- und Lobbyismusaffäre, die aus Sicht der CDU keinen Langzeit-Imageschaden anrichten darf: Mehrere bisherige Bundestagsabgeordnete stehen unter Korruptionsverdacht, weil sie bei Geschäften mit Masken Hunderttausende Euro Provision kassiert haben oder Zuwendungen aus dem autokratischen Aserbaidschan angenommen haben sollen. Bei der ungelösten Machtfrage, wer Kanzlerkandidat wird, wollen der erst seit wenigen Wochen amtierende CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder nach Ostern entscheiden. Für Laschet könnten die beiden Wahlen eine schwere Bürde bedeuten.
CDU will sich im Corona-Management beweisen
Nach dem Wahl-Debakel pochte Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) auf mehr Teamgeist und Geschlossenheit gerade im Kampf gegen die Corona-Pandemie. „Alle Entscheidungen sollten möglichst einmütig getroffen werden. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger in dieser Pandemie-Zeit gerade von der Union erwarten“, sagte sie.
Der frühere CDU-Umweltminister Norbert Röttgen nannte die Wahlergebnisse einen Weckruf für die gesamte Partei. „Die CDU insgesamt muss gegensteuern“, sagte das Präsidiumsmitglied der „Rheinischen Post“. Unter anderem müsse zügig und verlässlich dargestellt werden, „dass und wie Impfen und Testen Teil unserer Strategie zur Pandemiebekämpfung sind“. Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Carsten Linnemann, sagte der „Welt“: „Die CDU muss jetzt endlich beweisen, dass sie Corona-Management kann.“
Landtagswahlen: Trotz Coronafrust kein Anstieg bei den Randparteien
Die Wahlsiege gehen zu einem großen Teil aufs Konto der populären und über Parteigrenzen hinweg beliebten Regierungschefs. Sogar die meisten CDU-Sympathisanten in Baden-Württemberg wünschten sich laut Umfragen vorab, dass Kretschmann weiter Ministerpräsident bleibt – er tritt nun seine dritte Amtszeit an. Ähnlich dominant ist die Rolle Dreyers in Rheinland-Pfalz. Ihr CDU-Herausforderer Baldauf hatte es im Wahlkampf unter Corona-Beschränkungen schwer, gegen sie zu punkten. Dass die Wahlsiege an die Personen gebunden sind, zeigt schon der Blick ins jeweils andere Land: Die SPD in Baden-Württemberg kommt dort nur knapp über 10 Prozent, die Grünen in Rheinland-Pfalz landen trotz starker Zugewinne knapp unter der 10-Prozent-Marke.
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Es waren die ersten großen Abstimmungen in Deutschland unter Corona-Bedingungen. Sie liefen anders ab und fühlten sich anders an, als es Bevölkerung und Politiker über Jahrzehnte eingeübt haben. Abstand, Maske, Plexiglas, desinfizierte Kugelschreiber – sehr vieles war ungewohnt. Wegen der latenten Ansteckungsgefahr wählten in beiden Ländern viel mehr als sonst vorab per Briefwahl.
Auffällig: Obwohl sich nach einem Jahr Corona-Krise viel Frust in weiten Teilen der Bevölkerung aufgestaut hat, wurden die extremen politischen Ränder nicht gestärkt. Die AfD blieb in beiden Ländern deutlich hinter den Ergebnissen von 2016 zurück, die damals aber auch stark unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise standen. Auch die Linke scheiterte in den beiden westdeutschen Flächenländern erneut. (dpa/ncd)