Panzerlieferungen: Wie Biden wohl Scholz ausgetrickst hat – und nicht umgekehrt
Was war das ein Hin und Her! Am Ende stand der Kanzler im Januar als Sieger da, der dank diplomatischer Finesse die USA ebenfalls zur Lieferung von Panzern an Kiew gezwungen hatte. Obwohl dies niemand so offen sagen wollte. Plötzlich heißt es nun doch aus Übersee: Ja, Berlin hat uns gezwungen. Ein Beleg für Scholz‘ Verhandlungs-Sieg? Bei genauerem Hinsehen gäbe es auch eine andere Lesart: Biden könnte den Kanzler gehörig ausgetrickst haben!
„Zusage für Abrams-Panzer für Ukraine auf Drängen Deutschlands“ – so war es am Montag in vielen deutschen Medien zu lesen oder zu hören. Auslöser der Nachricht war ein Interview von Joe Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan: „Der Präsident sagte: Okay, ich werde der Anführer der freien Welt sein. Ich werde langfristig Abrams schicken, wenn ihr jetzt Leopard-Panzer schickt“, so Sullivan zum US-Sender ABC.
Hat Scholz die USA mit einem genialen Schachzug ins Boot geholt?
Dies entspräche erstmal dem, was die Bundesregierung zumindest zunächst kolportiert hatte. Man habe den Amerikanern quasi die Pistole auf die Brust gesetzt: Nur wenn ihr Abrams-Panzer liefert, gibt es auch unsere Leopard-Panzer. Später dementierte Regierungssprecher Steffen Hebestreit zwar. Und auch die USA wollten nichts von einem solchen Deal gewusst haben. In der Öffentlichkeit aber blieb das Bild: Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat in einem genialen Schachzug die USA mit an Bord geholt.
Diese Lesart könnte auf jeden Fall stimmen. Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein. Letzterer Verdacht drängt sich zumindest auf, wenn man sich fragt, warum Sullivan plötzlich so offen über das Thema plaudert, von dem beide Seiten ja stets gesagt hatten: Nein, das hat so nie stattgefunden!
Es könnte auch genau andersherum gewesen sein
Die ABC-Reporterin hatte Bidens Sicherheitsberater gefragt, ob die Abrams-Panzer überhaupt noch dieses Jahr in Kiew ankämen. Und auch darüber erzählte Sullivan ganz offen, bedankte sich explizit für die Frage. Offenbar wollte er etwas loswerden: Biden habe ja – wie auch das Pentagon – schon immer gesagt, dass die Abrams-Panzer der Ukraine gar nichts nützten. Und bis zum Schluss habe er auch deswegen gar nicht liefern wollen.
Um Sullivans plötzliche Plauder-Laune zu verstehen, hilft ein Blick auf die Panzer-Debatte, die es auch in den USA gab. Dort war immer klar: Wenn wir Abrams liefern, dann nicht aus unserem aktiven Bestand. Also: Neu gebaute Panzer oder sanierte. Eine Pentagon-Sprecherin versicherte noch vor ein paar Tagen, die Lieferung werde dauern. Eventuell bis zu zwei Jahre.
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Vor diesem Hintergrund ergeben Sullivans Sätze einen anderen – möglichen – Sinn. Er wollte eine Botschaft an die US-Öffentlichkeit und Deutschland gleichermaßen senden: Wir lassen uns nicht erpressen. Stattdessen haben wir Berlin ausgetrickst. Und denen gesagt: Ja, wir liefern, aber eben nur „langfristig“ (O-Ton Sullivan, s.o.). Ob es in zwei Jahren überhaupt zu Abrams-Lieferungen kommt, wird die Zeit zeigen. Bis dahin aber liefert Deutschland brav Leopard-Panzer. Am Ende könnte es nämlich so gewesen sein: Biden überrumpelte Scholz – und nicht umgekehrt.
Wie gesagt: Es wäre eine mögliche Lesart.