• An der polnisch-belarussischen Grenze stehen sich Militär und Migranten gegenüber.
  • Foto: Yuri Shamshur/TASS

Polen: Situation an EU-Grenze spitzt sich zu – Merkel telefoniert mit Putin

Die Grenze zwischen Belarus und Polen ist zur Kampflinie geworden. Zwischen den Fronten: Geflüchtete, die in der EU Asyl beantragen wollen. Die Lage vor Ort spitzt sich weiter zu – Machthaber Lukaschenko teilt derweil gegen die EU aus, Merkel bittet Putin um Hilfe.

Es war ein ungewöhnliches Telefonat: Die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat gestern Russlands Präsidenten Wladimir Putin angerufen und eine Bitte vorgebracht. Er solle aufgrund der dramatischen Lage der Migranten an der belarussisch-polnischen Grenze Einfluss auf die autoritäre Regierung in Minsk nehmen, so Merkel.

Krisengespräch: Merkel telefoniert mit Putin

Die Kanzlerin habe deutlich gemacht, dass die Instrumentalisierung von Migranten gegen die Europäische Union durch Machthaber Alexander Lukaschenko unmenschlich und vollkommen inakzeptabel sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Putin habe jedoch vorgeschlagen, dass sich die EU direkt mit der Führung in Belarus um eine Problemlösung bemühe, teilte der Kreml mit.

Das könnte Sie auch interessieren: Ausnahmezustand – Migranten durchbrechen polnisch-belarussische Grenze

Die Außengrenze der EU zwischen Polen und Belarus ist derzeit Schauplatz einer politischen Auseinandersetzung – auf Kosten der Schutzsuchenden. Der belarussische Machthaber Lukaschenko kündigte an, die Menschen auf ihrem Weg nach Europa nicht mehr aufzuhalten – als Reaktion auf westliche Sanktionen. Doch dabei belässt er es offensichtlich nicht: Die EU wirft ihm vor, gezielt Menschen aus Krisenregionen einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Lukaschenko dagegen poltert: „Und ihr Bastarde, Wahnsinnigen, wollt, dass ich euch vor Migration schütze?“

Geflüchtete durchbrechen Grenzzaun zu Polen

Unterdessen wird die Lage am Grenzzaun immer explosiver. Am späten Dienstagabend gelang es mehreren Dutzend Schutzsuchenden, die Zäune in der Nähe der Dörfer Krynki und Bialowieza zu zerstören und die Grenze in die EU zu passieren.  Das Werkzeug dafür stammte, so der Vorwurf polnischer Behörden, von belarussischer Seite. Weit kamen die meisten Migranten jedoch nicht – sie wurden von Grenzbeamten zurück nach Belarus gebracht.

Dort harren nun weiter Tausende Männer, Frauen und Kinder in der Kälte aus. Essen und Trinken ist knapp – internationale Hilfsorganisationen haben derzeit keinen Zugang zu der Region. Bilder zeigen teils verletzte Menschen, die am Kopf bluten. Die tiefen Schnittwunden an den Händen stammen von dem Versuch, die Stacheldrahtzäune zu überwinden. Veröffentlicht wurden die Aufnahmen vom belarussischen Grenzschutz – dieser wirft den polnischen Sicherheitskräften brutales Vorgehen gegen die Migranten vor.

Amnesty: Verstoß gegen internationales Recht

Bei der Hilfsorganisation Amnesty International blickt man besorgt auf die angespannte Situation an der EU-Grenze. Polen müsse unverzüglich gewährleisten, dass internationale Organisationen wie das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), die Internationale Organisation für Migration (IOM) oder Ärzte ohne Grenzen zu den Menschen gelangen können, sagt Julia Duchrow, Stellvertreterin des Generalsekretärs von Amnesty International Deutschland.

Die meisten der Schutzsuchenden an der Grenze kommen aus Krisengebieten wie Syrien, Afghanistan oder dem Irak. Die Zurückweisung durch polnische Sicherheitskräfte verstößt gegen internationales Recht – auch wenn Polen Pushbacks kürzlich legalisiert hat. „Wer internationalen Schutz braucht, muss diesen jetzt auch beantragen dürfen,“ macht Duchrow deutlich. Und ergänzt: „Der Zugang zum Asylverfahren an den EU-Außengrenzen darf nicht zum Spielball geopolitischer Interessen werden.“ 

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp