Prognose: Frauenanteil im Bundestag sinkt auf 31,5 Prozent
Der Frauenanteil im neuen Bundestag wird voraussichtlich wieder sinken, da Parteien mit niedrigem Frauenanteil wie Union und AfD voraussichtlich stärker werden. Auch die SPD wird einen Rückgang des Frauenanteils verzeichnen.
Der Frauenanteil im neuen Bundestag wird voraussichtlich wieder sinken. Nachdem er sich über Jahre auf gerade einmal 35,7 Prozent erhöht hatte, wird er nach einer Prognose der Internetplattform „Abgeordnetenwatch“ wieder auf lediglich 31,5 Prozent zurückfallen. Die Prognose entstand im Auftrag des ARD-Politikmagazins „Panorama“ (NDR).
Union und AfD als Hauptgründe für den Rückgang
Grund für den Rückgang des Frauenanteils im neuen Bundestag ist vor allem das voraussichtliche Erstarken von Parteien mit schon bisher besonders niedrigem Frauenanteil: Union und AfD.
Dieser liegt in den Bundestagsfraktionen aktuell bei rund 26 Prozent (Union) und bei rund 12 Prozent (AfD). Wenn die Union, wie aktuell prognostiziert, stärkste Kraft würde, hätte dies also starke Auswirkungen auf den Frauenanteil im Parlament. Zusammen mit der AfD als zweitstärkster Kraft würde sie den durchschnittlichen Frauenanteil im Bundestag absenken von derzeit 35,7 Prozent auf etwa 31,5 Prozent, also um mehr als vier Prozentpunkte.
Sinkender Frauenanteil auch bei der SPD
Auch in der der SPD-Fraktion wird der Frauenanteil nach der neuen Prognose sinken: von 43,0 Prozent auf 40,3 Prozent. Die SPD betont aber auf Anfrage den immer noch „hohen Anteil von SPD-Frauen“. Tatsächlich liegt er immer noch deutlich über dem Gesamtdurchschnitt der Abgeordneten im Bundestag.
Geringe Frauenanteile bei CDU, FDP und AfD
Ausweislich der bekannten Kandidatenlisten haben CDU, FDP und AfD die niedrigsten Frauenanteile. Die AfD erklärt zu dem geringen Frauenanteil unter ihren Kandidaten: „Der Frauenanteil der Fraktion ergibt sich aus dem Ergebnis demokratischer Wahlen. Auf diese hat die Fraktion keinen Einfluss.“ Christian Lindner erklärt für die FDP: „Den nächsten Bundestag kennen wir noch nicht“.
CDU schafft es nicht, den Frauenanteil zu erhöhen
Für die CDU werden voraussichtlich – trotz ihrer 2022 beschlossenen höheren Quote bei den sogenannten „Listenplätzen“ – prozentual nicht mehr Frauen in den Bundestag einziehen als bei vorherigen Wahlen: Die Partei gewinnt ihre Sitze größtenteils über Wahlkreismandate, dort gilt die Quote nicht. Dabei hatte der CDU-Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz in den vergangenen Monaten öffentlich für mehr Frauen als Kandidatinnen in Wahlkreisen geworben. Gegenüber dem ARD-Politikmagazin „Panorama“ glaubte er noch im Januar weiter an den Erfolg seines Engagements: „Es gibt viele Frauen, die in den Wahlkreisen aufgestellt worden sind. Und jetzt geht es darum, dass sie ihre Wahlkreise gewinnen. Ich werde auch viele von den Frauen unterstützen, habe das auch in der Vergangenheit schon getan.“ Er rechne mit einem steigenden Frauenanteil für die CDU im nächsten Bundestag.
Doch laut Zählung von „Panorama“ nach Abschluss der Aufstellung kandidieren unter den 252 Wahlkreiskandidatinnen und Kandidaten der CDU aktuell nur 60 Frauen. Die CSU nominiert in den 47 bayerischen Wahlkreisen nur zwölf Frauen als Kandidatinnen. Bei ihren Wahlkreiskandidaturen ist es der Union damit also nicht gelungen, ihren Frauenanteil signifikant zu erhöhen. Dies beeinflusst den Frauenanteil im Bundestag besonders, wenn die Union – wie prognostiziert – stärkste Fraktion wird.
Besondere Herausforderungen für Frauen im Bundestag
Bei der Recherche nach möglichen Gründen für den geringen Frauenanteil zeigten sich außerdem besondere Herausforderungen, mit denen Frauen aller Parteien im Bundestag konfrontiert sind. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Yvonne Magwas, die den Bundestag zum Ende dieser Legislatur verlässt, sagt: „Der Ton ist rauer geworden, ich bin beleidigt worden, ich bin diffamiert worden. Es waren vor allen Dingen Männer, die mich beleidigt haben, sowohl per Telefon als auch im Netz, aber auch analog.“
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Die CDU-Politikerin Rita Süßmuth, ehemalige Bundesministerin und Bundestagspräsidentin, sieht den voraussichtlich sinkenden Frauenanteil im nächsten Bundestag kritisch: „Sollte der Frauenanteil im Bundestag weiter sinken, bedeutet das einen Rückschritt für unsere gesamte Gesellschaft. Ein Parlament, das nicht die Realität unseres Landes widerspiegelt, verliert an Glaubwürdigkeit. Zudem ist es ein fatales Signal in einer Zeit, in der Frauenrechte weltweit zunehmend unter Druck geraten.“ (mp)
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