Zerstörung
  • In den Katastrophengebieten herrscht Wut und Verzweiflung. Das versuchen die „Querdenker“ auszunutzen.
  • Foto: dpa | Thomas Frey

So nutzen „Querdenker“ die Flutkatastrophe für sich aus

Zu den Demos der selbst ernannten „Querdenker“ kommen immer weniger Menschen. Nun scheinen wichtige Figuren der Verschwörungs-Szene ein neues Betätigungsfeld gefunden zu haben: die Flutkatastrophe. Sie versuchen, in den betroffenen Gebieten Parallelstrukturen aufzubauen – und für sich zu werben.

Die Hilfsbereitschaft nach den verheerenden Regenfällen vor allem im Westen ist riesig. Ebenso wie die Not. Auch bekannte Redner von „Querdenker“-Demos rufen zu Spenden auf. Wie der selbst ernannte „Volkslehrer“ Nikolai N.. Der verurteilte Holocaustleugner hat auf dem Gelände einer Grundschule im besonders stark betroffenen Bad Neuenahr-Ahrweiler gegen den Willen der Gemeinde eine „Kommandozentrale“ in Form einiger Zelte errichtet.

„Querdenker“ freuen sich über Flutkatastrophe

Dass die Einsatzkräfte von Feuerwehr oder THW bei der Anzahl der zerstörten Orte nicht überall gleichzeitig sein können, kommt dem „Volkslehrer“ dabei offenbar gelegen. In einem Video jubelt er: „Das ist großartig, weil wir damit endlich in die Selbstverantwortung kommen. Und zeigen können, dass wir diese ganzen BRD-Organisationen gar nicht brauchen.“

Offenbar will die Szene aus Verschwörungsideologen, Corona-Leugnern, Reichsbürgern und Rechtsradikalen ganz bewusst Misstrauen gegen den Staat schüren. So sah sich die Polizei Koblenz genötigt, zu twittern: „Fahrzeuge mit Lautsprechern, die polizeilichen Einsatzfahrzeugen ähneln, verbreiten die Falschmeldung, dass Polizei- und Rettungskräfte die Anzahl der Einsatzkräfte reduzieren. Wir sind ununterbrochen da!“ Auf den Fahrzeugen steht beispielsweise „Peace“ statt „Polizei“, die ansonsten eine Lackierung wie echte Einsatzfahrzeuge haben.

Die Errichtung eines „Familienzentrums“ wurde verhindert

Für Aufregung hat auch der Verein „Eltern stehen auf“ gesorgt, der von Beobachtern mit der „Querdenker“-Szene in Verbindung gebracht wird. Nun wollte der Verein nach eigenen Angaben ebenfalls in Bad Neuenahr-Ahrweiler für Flutopfer ein Familienzentrum mit 50 Therapeuten, Psychologen und Seelsorgern gründen. Doch das hat das rheinland-pfälzische Familienministerium verhindert und sogar öffentlich davor gewarnt.

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Auch der HNO-Arzt Bodo Schiffmann, Pandemie-Leugner und zentrale Figur der „Querdenker“, ist höchst aktiv. Er hat Spenden gesammelt und seine Anhänger aufgerufen, in die Krisengebiete zu reisen – obwohl die offiziellen Krisenstäbe darum bitten, genau dies nicht zu tun.

Bodo Schiffmann, zentrale Figur bei den „Querdenkern“ hat seine Anhänger aufgerufen, in die Krisengebiete zu fahren. dpa | Markus Scholz
Bodo Schiffmann
Bodo Schiffmann, zentrale Figur bei den „Querdenkern“, hat seine Anhänger aufgerufen, in die Krisengebiete zu fahren.

Denn es besteht die Gefahr, dass die staatlichen Hilfskräfte behindert werden. Zudem gibt es Warnungen, in den Katastrophengebieten könnten die Corona-Zahlen in die Höhe schnellen. In den einschlägigen „Querdenker“-Kanälen wird deshalb dazu aufgerufen, nachts in die Gebiete zu reisen, um nicht von der Polizei erkannt und abgewiesen zu werden.

„Das Ziel: Extremistisches Gedankengut verbreiten“

Im Mainzer Innenministerium spricht man mit Blick auf die Aktivitäten der Verschwörungs-Szene von einem „bekannten und gängigen Muster, dass insbesondere Rechtsextremisten in akuten Krisensituationen ausnutzen, indem sie sich vordergründig als ‚Kümmerer vor Ort‘ ausgeben“. Eigentliches Ziel sei es aber, extremistisches oder verschwörungstheoretisches Gedankengut zu verbreiten und für die Mitte der Gesellschaft anschlussfähig zu machen.

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