So reagiert die Welt auf Putins atomares Säbelrasseln
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Sonntag die Alarmbereitschaft der Atomstreitkräfte angekündigt. Am Montagmittag meldete der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu Vollzug: Befehl ausgeführt. Experten rechnen nicht mit einem Atomkrieg – mahnen aber trotzdem zur Vorsicht. Ein Experte bringt eigene europäische Atomwaffen ins Spiel.
Das russische Sicherheitssystem sieht vier Eskalationsstufen vor. Von „normal“ über die „erhöhte Alarmbereitschaft“ zu „militärischer Gefahr“ bis hin zu „voll“, erklärt Carlo Masala, Militärexperte der Bundeswehruniversität in München.
„Wir stehen nicht vor einem Atomkrieg“
Am Montag befanden sich die russischen Einheiten also „nur“ auf der zweiten Stufe. „Das ist noch weit entfernt von einer konkreten Drohkulisse, bei der man befürchten muss, dass Nuklearwaffen auf Ziele im Westen oder den USA abgefeuert werden“, so Masala. „Wir stehen nicht vor einem Atomkrieg.“ Putin hatte den Schritt mit „aggressiven Äußerungen“ westlicher Politiker begründet.
Und trotzdem: Westliche Politiker nehmen das atomare Säbelrasseln ernst. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte: „Es muss sehr ernst genommen werden und vor allen Dingen auch von unserer Aufklärung beobachtet. Wir haben erlebt, wie unberechenbar Putin ist. Wir müssen sehr wachsam sein.“ Die Drohung stehe wohl auch im Zusammenhang mit den nur langsamen Vorankommen russischer Truppen in der Ukraine.
USA reagieren kühl auf Putins Ankündigung
Lambrecht kündigte an, auch in der Nato über das Thema sprechen zu wollen. Aus dem US-Verteidigungsministerium hieß es, Putins Schritt sei „unnötig, da Russland nie vom Westen oder von der Nato und ganz sicher nicht von der Ukraine bedroht wurde“.
Putins Anordnung drohe, die Lage zu eskalieren, weil damit „Mächte in Gang gesetzt werden“, die die Situation im Falle einer Fehleinschätzung „sehr, sehr viel gefährlicher“ machen könnten. Man werde nichts tun, was in diesem Bereich für eine weitere Eskalation sorgen könne, hieß es übereinstimmend aus Washington und London.
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Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler spricht sich dagegen für eine eigene atomare Abschreckung der EU unabhängig von den USA aus. Putins Drohung lasse es geboten erscheinen, „über eine nukleare Option der Europäer unabhängig von den USA nachzudenken, weil man ja nicht sicher sein kann, ob nicht womöglich in den USA demnächst wieder ein Präsident à la Donald Trump an der Macht ist, der auch in der jetzigen Situation ja exzessives Verständnis für Putin bekundet hat.“ Innerhalb der EU ist Frankreich die letzte verbliebene Atommacht, mit einem vergleichsweise kleinem Arsenal.
FDP will modernere Flugzeuge: F 35 statt Tornados
Doch in Berlin dreht sich die Diskussion vorerst um die Ankündigung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereit zu stellen, die für konventionelle Rüstung vorgesehen sind. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, forderte eine schnelle Modernisierung der Truppe. „Als ersten Schritt gehört heute noch die Tornado-Nachfolge auf den Tisch. Jetzt muss die F-35 her, das modernste Kampfflugzeug der Welt und von vielen unserer Partner genutzt“, sagte sie am Montag.
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Ihr Parteichef Christian Lindner sagte: Unser Ziel ist, dass wir im Laufe dieses Jahrzehnts eine der handlungsfähigsten, schlagkräftigsten Armeen in Europa bekommen. Eine der am besten ausgerüsteten Armeen in Europa, weil das der Bedeutung Deutschlands, unserer Verantwortung in Europa entspricht.“
Widerspruch aus der Grünen Jugend
Widerspruch innerhalb der Koalition kommt von der Grünen Jugend. Man könne nicht „ohne jegliche politische oder gesellschaftliche Debatte“ die Aufrüstung vorangetrieben, bemängelte Timon Dzienus. „Der vermeintliche Investitionsbedarf bei der Bundeswehr resultiert insbesondere aus Missmanagement und Fehlplanung, nicht aus fehlendem Budget.“