CDU-Chef Friedrich Merz warf Geflüchteten aus der Ukraine in einem TV-Interview „Sozialtourismus“ vor – und erntete harsche Kritik.
  • CDU-Chef Friedrich Merz warf Geflüchteten aus der Ukraine in einem TV-Interview „Sozialtourismus“ vor – und erntete harsche Kritik.
  • Foto: imago/Christian Spicker

Ukraine-Geflüchtete: Merz unterstellt „Sozialtourismus“ – heftige Kritik

Flüchten viele Menschen vor allem wegen der Sozialleistungen aus der Ukraine nach Deutschland? Friedrich Merz äußerte diesen Vorwurf in einem TV-Interview – und sprach dabei von „Sozialtourismus“. Nach einer Welle drastischer Kritik ruderte der CDU-Chef am Dienstagmorgen zurück, hielt aber grundsätzlich an seiner Einschätzung fest.

„Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine“, sagte Friedrich Merz am Montagabend bei „Bild TV“. Der Hintergrund laut des 66-Jährigen: Anfangs hatten Geflüchtete aus der Ukraine Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – seit Juni erhalten sie Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger:innen, und sind damit besser gestellt.

Ukraine-Geflüchtete: Merz kritisiert „Sozialtourismus“

Mit seinen Äußerungen sorgte Merz für breite Empörung. „Wie passt es eigentlich mit der viel beschworenen Solidarität der Union mit der Ukraine zusammen, dass Friedrich Merz im Kontext von Menschen, die vor diesem furchtbaren Angriffskrieg fliehen, von ‚Sozialtourismus‘ spricht?“, twitterte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warf dem CDU-Parteichef „Stimmungsmache auf dem Rücken ukrainischer Frauen und Kinder, die vor Putins Bomben und Panzern geflohen sind“ vor. Das sei „schäbig“ und den Begriff „Sozialtourismus“ zu verwenden „jedes Demokraten unwürdig“. Auch der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk bezog Stellung: „Woher kommt dieser Unsinn über angeblichen ‚Sozialtourismus‘ von ukrainischen Kriegsflüchtlingen? Sie haben das Recht, ihre Heimat jederzeit zu besuchen.“

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Am Dienstagvormittag ruderte Merz dann via Twitter zurück. „Wenn meine Wortwahl als verletzend empfunden wird, dann bitte ich dafür in aller Form um Entschuldigung“, schrieb der 66-Jährige. Er bedaure, von „Sozialtourismus“ gesprochen zu haben und hätte „ausschließlich“ die „mangelnde Registrierung der Flüchtlinge“ kritisieren wollen. Vollständig distanzierte Friedrich Merz sich allerdings nicht von seinen Aussagen: „Das war eine unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems“.

Belege für einen möglichen „Sozialtourismus“ gibt es überdies nicht. Erst vor wenigen Tagen recherchierte „Correctiv“, dass angebliche Reisen zwischen der Ukraine und Deutschland nicht auf Sozialbetrüge hindeuten würden. Zuvor hatte sich im Internet eine Fake News weit verbreitet, wonach Ämter angewiesen worden wären, Hartz-IV-Bezüge von Ukrainer:innen ohne Meldeadresse zu dulden.

„Correctiv“: Keine Belege für möglichen Sozialbetrug

Fehlende Adressen würden den Behörden allerdings schnell auffallen, etwa, wenn die Menschen nicht zu Sprachkursen oder Terminen erschienen oder keine Post zugesellt werden könne, erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gegenüber „Correctiv“. Zahlungen würden in solchen Fällen umgehend eingestellt.

Der Begriff „Sozialtourismus“ steht schon lange in der Kritik. Bereits 2013 vergab eine Jury aus Sprachexpert:innen den Negativ-Preis „Unwort des Jahres“. Die Begründung: Er „diskriminiert Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu.“ Vor allem die NPD hatte den Begriff oft auf Plakaten oder in Programmen verwendet.

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