Ukraine-Krieg: Deutsche Ringtausche sind bisher Luftnummern
Die Ukraine muss auch militärisch unterstützt werden – das ist im deutschen Parlament Mehrheitsmeinung. Um die Ukraine schnell mit schweren Waffen zu versorgen, hat die Bundesregierung Mitte April mehrere Ringtäusche mit osteuropäischen Ländern vereinbart. Doch bis heute ist noch kein einziger vollzogen. Wie kann das sein?
Ende April hatte der Bundestag die Bundesregierung mit breiter Mehrheit aufgefordert, die Ukraine „unverzüglich“ mit schweren Waffen zu versorgen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich aber beispielsweise bei Kampfpanzern zurückhaltend. Seine Befürchtung: Russland könne sich durch deutsche Panzer in der Ukraine provoziert fühlen und den Angriffskrieg eskalieren.
Kein einziges Geschäft ist bisher abgeschlossen
Deshalb ersonn man im Verteidigungsministerium von Christine Lambrecht (SPD) den so genannten Ringtausch: Man vereinbarte mit Polen, Tschechien, der Slowakei, Slowenien und Griechenland, dass diese Länder ihre Panzer sowjetischer Bauart nach Kiew liefern und im Gegenzug deutsche schwere Waffen erhalten. Die fünf Länder hielten sich an die Vereinbarung und lieferten. Doch aus Deutschland erhielten sie im Gegenzug bis heute: nichts.
„Mehrmals hat die Bundesregierung dem Parlament verkündet, dass ‚Ringtausch‘-Deals u. a. mit Polen zeitnah abgeschlossen sind und ‚in den nächsten Wochen‘ umgesetzt werden“, empört sich nun der Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter (CDU). „Leider verspielt Deutschland hier sämtliches Vertrauen. Der Ringtausch mit Polen ist am Scheitern.“
Das deutsche Angebot: ein Panzer pro Monat
Laut Kiesewetter habe die Bundesregierung Polen nach „drei Monaten Reflexionszeit“ nun ein Angebot vorgelegt: Es sollen 20 Leopard-2-Panzer geliefert werden. Die Lieferung soll im April 2023 beginnen, ein Panzer monatlich. Ab Oktober 2023 sollen es dann drei pro Monat sein. Zum Vergleich: Polen soll der Ukraine seit dem 24. Februar bereits 270 Kampfpanzer geliefert haben.
„Die deutschen Versprechen zum Panzer-Ringtausch haben sich als Täuschungsmanöver erwiesen“, sagte Polens Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sęk nun dem „Spiegel“. Polen erhofft sich zurzeit wohl rund 44 Leopard-2-Panzer im Tausch. Deutschland bietet 20 vom Typ A4 an. Das Angebot sei „inakzeptabel“.
Lambrecht mutiert zur Selbstverteidigungsministerin
Ähnlich unzufrieden ist man auch in anderen Tausch-Ländern. Beispiel Slowenien: Dafür, dass das Land Kampf- und Schützenpanzer (T72 bzw BMP1) an die Ukraine liefert, hatte Berlin den Schützenpanzer „Marder“ und den Transportpanzer „Fuchs“ angeboten – beides Auslaufmodelle in der Bundeswehr und rund 50 Jahre alt. Slowenien schwebte stattdessen der neue Schützenpanzer „Puma“ und der Kampfpanzer „Leopard“ vor – also moderneres Gerät.
Lambrecht, die Ende April noch angekündigt hatte, es werde mit den Ringtauschen „jetzt sehr schnell gehen“, mutiert nun zur Selbstverteidigungsministerin: „Es ist der Bundesregierung ganz wichtig, die Lücken aufzufüllen. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Die Nationen, die an die Ukraine abgeben, wollen natürlich moderne Systeme haben, um diese Lücken zu schließen“, sagte Lambrecht. „Wir sind dabei, das möglich zu machen.“
Strack-Zimmermann will direkte Lieferungen
FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) reicht das nicht. „Die Idee des Ringtauschs macht Sinn. Aber es läuft nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der „Rheinischen Post“. „Wir müssen dann auch den Mut haben einzugestehen, dass es nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben und sollten gegebenenfalls stattdessen direkt an die Ukraine liefern.“
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Bei direkten Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine fällt die deutsche Bilanz bisher ziemlich mager aus. Laut offiziellen Angaben sind bisher sieben Panzerhaubitzen aus Bundeswehrbeständen in die Ukraine gelangt. Zudem soll die deutsche Rüstungsindustrie bis Ende Juli mit der Lieferung von Flugabwehrpanzern vom Typ „Gepard“ beginnen.