Dieses von Maxar Technologies zur Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt das Theater in Mariupol. Vor und hinter dem Gebäude sind Schriftzüge zu sehen.
  • Dieses von Maxar Technologies zur Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt das Theater in Mariupol. Vor und hinter dem Gebäude sind Schriftzüge zu sehen.
  • Foto: picture alliance/dpa/Maxar Technologies | Uncredited

Ukraine-Theater trotz „Kinder“-Warnung bombardiert – die aktuelle Lage im Überblick

Die Kämpfe gehen weiter, die Flucht von Hunderttausenden auch. Der ukrainische Präsident fordert weitere Unterstützung für ein Land – vermutlich auch bei seiner am Donnerstagmorgen geplanten Rede im deutschen Bundestag. Die MOPO gibt einen Überblick zum Geschehen in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.

Nach drei Wochen Krieg, Flucht und Vertreibung wendet sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an diesem Donnerstag mit einem direkten Appell an Deutschland. Der 44-Jährige soll am Morgen per Videoschalte im Bundestag sprechen. In der Nacht meldete die Ukraine derweil erneut Kämpfe mit russischen Angreifern unter anderem in der Nähe der Hauptstadt Kiew. Große Sorge herrscht nach wie vor um die Menschen in der belagerten und teilweise zerstörten Hafenstadt Mariupol.

Entsetzen nach Angriff auf Theater in Mariupol

Am Mittwoch hatte es in Mariupol einen verheerenden Bombenangriff auf ein Theatergebäude gegeben. Ukrainischen Behördenangaben zufolge haben sich mehr als 1000 Menschen dort befunden – das Gebäude diente als Zufluchtsort für Ausgebombte und Schutzsuchende.

Der ukrainische Journalist Illia Ponomarenko teilte ein Bild auf Twitter, auf dem eine Luftaufnahme des Theaters zu sehen ist. Nach seinen Angaben sollen Ukrainer das Wort „Kinder“ auf Russisch auf die beiden Plätze vor und hinter dem Gebäude geschrieben haben, um russische Piloten von einem Bombardement abzuhalten – vergeblich. Weitere Medien, darunter die deutsche „Welt“, bestätigten Ponomarenkos Übersetzung. Die Luftaufnahme stammt vom US-Satelliten-Unternehmen Maxar Technologies.

Der Vorfall sei eine „weitere Tragödie“ in der Stadt, schrieb Bürgermeister Wadim Bojchenko in der Nacht zu Donnerstag auf seinem Telegram-Kanal. Präsident Selenskyj sagte in einer Videobotschaft, die Menschen hätten dort Schutz vor Beschuss gesucht. Nun sei das Gebäude zerstört.

Bojchenko meldete weiter, Menschen könnten die Stadt nun mit Privatautos verlassen. Binnen zwei Tagen seien rund 6500 Autos aus Mariupol herausgekommen. Doch gebe es keine Feuerpause, die Menschen seien unter Beschuss geflohen.

Ukraine meldet Flugzeugabschuss

Zum eigentlichen Kriegsgeschehen meldete die ukrainische Armee in der Nacht, es seien zwei weitere russische Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi Su-35 und Su-30 über der Region Kiew zerstört worden. An Land konzentrierten sich russische Einheiten demnach vor allem auf die Sicherung ihrer Geländegewinne. Es gebe Bemühungen russischer Truppen, südlich der Stadt Isjum vorzudringen, wohl um eine Offensive in Richtung Slowjansk fortzusetzen. Dabei seien sie aber nicht erfolgreich.

Die russische Marine blockiere zudem nach wie vor die Schifffahrt im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres. Das russische Militär wiederum behauptete, die Besatzungen von 70 ausländischen Schiffen säßen wegen von ukrainischer Seite verminter Gewässer dort fest. Die Angaben beider Seiten können nicht unabhängig geprüft werden.

Selenskyj will „Ende des Kriegs“ – Berater skeptisch

Ukraines Präsident Selenskyj sagte in einer in der Nacht veröffentlichten Videobotschaft, seine Prioritäten in den Friedensverhandlungen mit Russland seien klar: „Ein Ende des Krieges, Sicherheitsgarantien, Souveränität und Wiederherstellung der territorialen Integrität.“ Vom Westen verlangte Selenskyj erneut mehr Druck: eine Flugverbotszone über der Ukraine sei nötig, dazu die Lieferung von Luftverteidigungssystemen, Flugzeuge, tödlichen Waffen und Munition sowie ein neues Sanktionspaket gegen Russland.

Selenskyjs Berater Alexander Rodnyansky dämpfte jedoch in der ARD-Sendung „maischberger. die woche“ die Hoffnung auf eine baldige Friedenslösung. Russland versuche, Zeit zu kaufen, um neue Truppen heranzuziehen und dann wieder eine Offensive starten.

Ukraine-Präsident spricht im Bundestag

Drei Wochen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wendet sich der ukrainische Präsident am Donnerstag um 9 Uhr in einer Videobotschaft erstmals direkt an die Abgeordneten des Bundestags. Solche Ansprachen hat er unter anderem auch schon im US-Kongress und im EU-Parlament gehalten.

Es wird erwartet, dass Selenskyj Deutschland zu weiterer Unterstützung auffordern wird – finanziell und mit Waffenlieferungen. Für die Rede sind 20 Minuten vor dem Beginn der regulären Sitzung im Bundestag vorgesehen. Eine Aussprache gibt es anschließend nicht.

Morawiecki fordert Scholz zu Kiew-Reise auf

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und weitere Staats- und Regierungschefs zu einem Solidaritätsbesuch in Kiew auf – so wie es Morawiecki selbst zuletzt mit seinen Kollegen aus Tschechien und Slowenien getan hatte. „Sie sollen in die Augen der Frauen und Kinder blicken und ihnen helfen, ihre Leben und ihre Eigenständigkeit zu retten“, sagte Morawiecki der „Bild“.

Biden sagt Ukraine weitere Unterstützung zu

US-Präsident Joe Biden kündigte derweil weitere Waffenlieferungen und Militärhilfen für die Ukraine in Millionenhöhe an. In einem 800 Millionen Dollar (730 Millionen Euro) schweren Hilfspaket seien unter anderem Flugabwehrraketen, Drohnen und Tausende Panzerabwehrwaffen enthalten, sagte Biden in Washington. Auch Deutschland und andere Nato-Staaten haben Waffen geliefert und Sanktionen verhängt. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) wandte sich jedoch am Mittwochabend erneut gegen eine Verwicklung der Nato in den Krieg und gegen Eskalationsszenarien.

Sorge um Sicherheit der Ukraine-Flüchtlinge

Inzwischen sind nach UN-Angaben mehr als drei Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Die Internationale Organisation für Migration zeigte sich in der Nacht besorgt über die Gefahr des Menschenhandels sowie der sexuellen Ausbeutung und des Missbrauchs. Es gebe eine zunehmende Gefährdung der persönlichen Sicherheit der fliehenden Menschen, erklärte die IOM in Genf.

Das könnte Sie auch interessieren: „Sitzen bis zum Hals in der Scheiße“: Angeblicher Insider packt über Putins Pläne aus

Auf die Gefahren vor allem für geflüchtete Frauen wies auch CDU-Chef Friedrich Merz in den ARD-„Tagesthemen“ hin. „Wir müssen vor allem die Flüchtlinge registrieren, und wir müssen diejenigen registrieren, die Flüchtlinge aufnehmen, denn wir sehen jetzt schon, dass hier möglicherweise Missbrauch auch mit Frauen getrieben wird, die da zu uns kommen“, sagte Merz. Deutschland müsse wissen, wer ins Land komme. Und die Menschen müssten in Deutschland und der Europäischen Union verteilt werden.

Das wird am Donnerstag wichtig

Nach der für den Vormittag geplanten Ansprache Selenskyjs an den Bundestag befasst sich das Parlament unter anderem mit der Unterbringung der Ukraine-Flüchtlinge. Bundeskanzler Scholz berät am Nachmittag (14 Uhr) mit den Ministerpräsidenten der Länder ebenfalls über den Umgang mit den Flüchtlingen sowie über die seit Kriegsbeginn gestiegenen Energiepreise. Davor empfängt er im Kanzleramt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Gesprächen (11.30 Uhr), auch mit Blick auf den Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Bündnisstaaten in der kommenden Woche.


Starten Sie bestens informiert in Ihren Tag: Der MOPO-Newswecker liefert Ihnen jeden Morgen um 7 Uhr die wichtigsten Meldungen des Tages aus Hamburg und dem Norden, vom HSV und dem FC St. Pauli direkt per Mail. Hier klicken und kostenlos abonnieren.


In New York tagt abermals der UN-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung, um über mögliche Kriegsverbrechen Russlands zu sprechen. Am Mittwoch nannte US-Präsident Biden Russlands Präsidenten Wladimir Putin erstmals öffentlich einen „Kriegsverbrecher“. (mik/dpa)

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp