Ukraine will beitreten: Wie wird ein Land Mitglied der EU?
Den Beitrittsantrag zur EU hat die Ukraine schon unterschrieben, auch das EU-Parlament hat sich in dieser Woche mit einer deutlichen Mehrheit für die Aufnahme von Verhandlungen ausgesprochen. Der Weg dorthin ist allerdings weit: Die MOPO erklärt, wie so ein Prozess genau abläuft.
Welche Länder der Europäischen Union beitreten können, ist in Artikel 49 des EU-Vertrags geregelt. Darin heißt es: „Jeder europäische Staat, der die in Artikel 2 genannten Werte achtet und sich für ihre Förderung einsetzt, kann beantragen, Mitglied der Union zu werden.“
Zu diesen Werten gehören unter anderem die Achtung der Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte. Grundsätzlich kann also jedes Land einen Beitrittsantrag stellen – sofern es die sogenannten „Kopenhagener Kriterien“ erfüllt.
Diese Kriterien müssen potenzielle EU-Mitglieder erfüllen
Diese regeln, welche politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen ein Land erfüllen muss, um der EU beitreten zu können. Ein demokratischer Rechtsstaat ist demnach unabdingbar, genau wie ein Bekenntnis zum Schutz von Minderheiten.
Auch muss sich ein Land dazu verpflichten, die Gesetze und Beschlüsse der EU zu übernehmen. Sind all diese Kriterien erfüllt, muss zunächst das Europäische Parlament mit absoluter Mehrheit zustimmen. Diese Hürde hat die Ukraine schon genommen: Am Dienstag votierten dort 637 von 676 abgegebenen Stimmen für Verhandlungen.
Starten Sie bestens informiert in Ihren Tag: Der MOPO-Newswecker liefert Ihnen jeden Morgen um 7 Uhr die wichtigsten Meldungen des Tages aus Hamburg und dem Norden, vom HSV und dem FC St. Pauli direkt per Mail. Hier klicken und kostenlos abonnieren.
Anschließend muss der Rat der EU, der aus den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten besteht, den Verhandlungen einstimmig zustimmen. Ratspräsident Charles Michel warnte bereits, dass es unterschiedliche Auffassungen der Mitgliedstaaten gebe. Insbesondere Länder wie Polen oder Slowenien drängten demnach auf eine Perspektive für die Ukraine, während andere angesichts des Konflikts mit Russland vor einer schnellen Aufnahme warnten.
Das könnte Sie auch interessieren: Ukraine-Präsident spricht aus dem Kriegsgebiet zur EU – Übersetzer ringt um Fassung
Einen Beitritt im Eilverfahren sieht die EU zudem gar nicht vor. Die aktuellen Beitrittskandidaten Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien warten teils bereits seit fast zwei Jahrzehnten auf ihre Aufnahme in die Staatengemeinschaft. Selbst für den bisher schnellsten Beitritt zur EU von Finnland, Schweden und Österreich waren noch knapp drei Jahre notwendig.
Ursächlich für die langen Verhandlungen sind die insgesamt 35 Themenkomplexe, die allesamt einzeln eröffnet und abgeschlossen werden müssen. Dazu gehören unter anderem Bestimmungen zum freien Warenverkehr, zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder zur Korruption. Letzteres gilt für die Ukraine als hohe Hürde: Der EU-Rechnungshof hatte 2021 festgestellt, dass „Oligarchen und Interessengruppen nach wie vor die Rechtsstaatlichkeit“ untergrüben.
Ukraine: EU-Beitritt im Eilverfahren ist nicht möglich
Während der Beitrittsverhandlungen erstellt die EU-Kommission zudem Fortschrittsberichte, die den Stand der Gespräche und die Entwicklung des Kandidaten festhalten. Bei negativen Entwicklungen droht sogar ein Scheitern des gesamten Prozesses. Selbst im Falle des Erfolgs gibt es noch eine letzte hohe Hürde: Nachdem der Rat der EU erneut seine Zustimmung gegeben hat, müssen die Mitgliedsländer einstimmig das neue EU-Mitglied in ihren Parlamenten bestätigen.
„Die Ukraine hätte sicher die Ehrenmitgliedschaft in der Europäischen Union verdient“, sagte Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, am Donnerstag der „Süddeutschen Zeitung“. Die EU sollte der Ukraine zwar den Status eines Beitrittskandidaten verleihen, dürfe aber „keine falschen Hoffnungen“ wecken. „ Das ist kein kurzer oder schmerzfreier Weg, sondern einer, der weitreichende politische und wirtschaftliche Reformen erfordert, Rechtsstaatlichkeit und die Bekämpfung von Korruption.“