Umstrittene Verkehrspolitik: FDP will Autobahnen zügig ausbauen
Verkehrswende und trotzdem der Ausbau von Autobahnen: FDP-Minister Volker Wissing sieht darin keinen Widerspruch. Er möchte den Bau von Fernstraßen forcieren und beschleunigen. Die Grünen reagieren gereizt.
„Wir müssen die Sehnsucht der Menschen nach individueller Mobilität ernst nehmen“, sagte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zuletzt im September auf einer Tagung des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes in Frankfurt am Main. Denn das beliebteste Transportmittel der Deutschen sei nach wie vor das Auto.
Und weil Autos Straßen brauchen, will der Verkehrsminister nun – neben dem beschleunigten Aus- und Neubau von Bahnlinien, Wasserstraßen und der Flughafeninfrastruktur – den Bau von Autobahnen vorantreiben. Das legt ein „Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich“ nahe, über das der „Spiegel“ berichtete.
Berlin: Verkehrsminister möchte Bau von Autobahnen vorantreiben
In dem Gesetzentwurf sind 46 Straßenbauvorhaben aufgelistet, die zügig umgesetzt werden sollen. Darunter auch die umstrittene Verlängerung der A100 in Berlin und der Weiterbau der A20 im Norden von Westerstede in Niedersachsen nach Weede in Schleswig-Holstein. Als Vorbild für seinen Gesetzentwurf samt Autobahn-Plänen nimmt sich Wissing ausgerecht den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck als Vorbild. Dieser hatte Gesetze initiiert, um den beschleunigten Bau von Windkraftanlagen und LNG-Terminals zu erreichen.
Der schnellere Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ist schon länger das Ziel Volker Wissings. Dabei sollen für die Verkehrswende wichtige Bahnstrecken ausgebaut, marode Brücken schneller ersetzt und jedes einzelne Autobahnprojekt aus dem Bundesverkehrswegeplan umgesetzt werden, berichtet der „Spiegel“. Durch das beschleunigte Verfahren könnten dabei auch die Umweltverträglichkeitsprüfungen, beispielsweise beim Ersatzbau von Brücken, wegfallen.
Grüne: Vorstoß widerspricht Koalitionsvertrag
Die Umsetzung von 46 Straßenbauvorhaben als Teil der Verkehrswende? Ein Sprecher aus dem grünen Umweltministerium lässt ausrichten, dass „Verfahrensbeschleunigung in erster Linie dort ansetzen sollte, wo Energiewende und der Wandel zu einer klimaneutralen Gesellschaft vorangebracht wird“. Der grüne Rechtspolitiker Lukas Benner sagte dem „Spiegel“, er könne „nicht verstehen, wieso Wissing die Straße gleich betrachtet wie die Schiene. Das geht an den Notwendigkeiten völlig vorbei.“
Zudem widerspreche der Vorstoß aus Sicht der Grünen dem Koalitionsvertrag, da dieser zunächst eine erneute Prüfung der Projekte vorsieht. Das Wirtschaftsministerium blockiert deshalb zurzeit den Gesetzesentwurf.
Umweltverbände kritisieren den Aus- und Neubau von Autobahnen als weitere Abkehr von Klimazielen, die der Verkehrssektor und sein FDP-Minister bereits heute nicht einhalten. „Die Autobahn ist Sinnbild einer verfehlten Verkehrspolitik sowie für antiquierte Infrastrukturplanungen in ganz Deutschland“, hieß es vom Naturschutzbund (Nabu) bereits mit Blick auf den Bau der Hafenautobahn A26-Ost in Hamburg. Der Lebensraum von Tieren und Pflanzen gehe verloren und die Lärm- und Schadstoffbelastung steige in den entsprechenden Gebieten. „Der Verkehrssektor ist für einen Großteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich, Klimaziele lassen sich mit immer neuen Straßen und Autobahnen nicht einhalten“, sagt auch Lucas Schäfer, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.
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In der deutschen Politik ist die Priorisierung der Straße gegenüber der Schiene klar ersichtlich. So gab der Bund 2022 etwa 12,54 Milliarden Euro für den Bau und Unterhalt des Fernstraßennetzes aus, die Schiene wurde nur mit 9,54 Milliarden gefördert. Im Haushaltsentwurf 2023 sinken die Investitionen in die Bahninfrastruktur sogar um über eine halbe Million Euro – während die Ausgaben für Straßen um 160 Millionen steigen. (vd)