Von wegen alle gegen Putin: Wo der russische Präsident noch Freunde hat
Die ganze Welt verurteilt Russland scharf für sein Vorgehen in der Ukraine? Mitnichten. Im sogenannten „Westen“ ist die Sache relativ klar. Aber im Rest der Welt gibt es mehr Sympathie für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, als einigen lieb sein dürfte. Dies verrät vor allem ein Blick auf die Südhalbkugel.
Als die UN-Vollversammlung Anfang März – wenige Tage nach Kriegsbeginn – über eine Resolution gegen Russland abstimmte, da war Erleichterung zu spüren bei UN-Generalsekretär Antonio Guterres. 141 Länder stimmten dafür, nur fünf dagegen. Neben Russland selbst noch Belarus, Nordkorea, Eritrea und Syrien. 35 Länder enthielten sich.
Viele machen nicht mit bei den Sanktionen gegen Russland
Weltweite Einigkeit also? Nicht ganz. Gerade in Teilen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas gibt es Zwischen-Positionen oder eine mehr oder minder offene Befürwortung des russischen Vorgehens. China, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate enthielten sich im UN-Sicherheitsrat. Mexiko, Brasilien, Argentinien, Südafrika oder Indonesien etwa schlossen sich den Sanktionen gegen Russland bewusst nicht an. Die Gründe sind vielschichtig.
Beispiel Senegal: Präsident Macky Sall hat derzeit turnusmäßig den Vorsitz der Afrikanischen Union (AU) inne. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte darum gebeten, vor der Union per Videoschalte sprechen zu dürfen. Sall sagte ab. Er wolle erst vor Ort mit Putin und Selenskyj persönlich sprechen. Er kündigte Anfang Juni Besuche in Russland und in Kiew an. Letzteres wurde zumindest bis heute nichts.
Viele afrikanische Länder um „Neutralität“ bemüht
„Sie haben die Abstimmungen in den Vereinten Nationen verfolgt“, sagte Sall dem russischen Präsidenten beim Treffen in Sotschi. „Trotz enormen Drucks hat die Mehrheit der afrikanischen Länder es vermieden, Russland zu verurteilen.“ Wie viele afrikanische Staatsoberhäupter bemüht er sich nach eigenen Aussagen um „Neutralität“.
Wichtig war ihm, eine Lösung für die Ausfuhr von Getreide aus den blockierten Schwarzmeer-Häfen zu finden. Und zeigte sich „beruhigt“ nach dem Gespräch mit Putin. Ein Grund für die Distanz zum Westen: Viele afrikanische Länder fühlen sich vom Westen vernachlässigt. Beispielsweise in Sachen Impfstoff-Patente.
Jair Bolsonaro zitiert gerne russische Propaganda
Beispiel Brasilien: Präsident Jair Bolsonaro hat ebenfalls von vornherein „Neutralität“ verkündet. Und nannte sogar direkt pragmatische Erwägungen: Aus Russland beziehen sie am Zuckerhut mit den meisten Dünger. „Dünger ist uns heilig“, so Bolsonaro.
Allerdings: Bolsonaro wiederholt auch gerne russische Propaganda. Spricht von aggressiven, ukrainischen „Nazis“, von einer vom jüdischen US-Investor George Soros finanzierten „West-Propaganda“ und sieht die NATO als Hauptschuldigen des Konflikts.
Putin als Speerspitze des Anti-Amerikanismus?
Dass die NATO und die USA sich teils massiv falsch verhalten haben in den vergangenen Jahren steht außer Frage. Aber offenbar herrscht in vielen Ländern Lateinamerikas, aber auch des Nahen Ostens etwa – oft verbunden mit einer Israel-Skepsis – ein irrationaler Anti-Amerikanismus. Der dann dazu führt, dass Putin als Speerspitze des Anti-Amerikanismus‘ auch ein völkerrechtswidriger brutaler Krieg zugestanden wird. Die „anderen“ haben schließlich auch welche geführt.
Beispiel Indien: Hier steht der Premierminister und Hindunationalist Narendra Modi nicht allein mit seiner Haltung: #IStandWithPutin und #IStandWithRussia sind dort derzeit die beliebtesten Hashtags im Internet. Ganz so offen formuliert Modi das selbst nicht. Aber trotz des Krieges bleibt sein Umgang mit Putin stets respektvoll, auch wegen der wirtschaftlichen Beziehungen.
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Und aus China wurde gestern bekannt, dass Russland dort nun Haupt-Lieferant für Öl ist. Klar ist: Die Wahrnehmung, dass die ganze Welt sich gegen Putin gewandt habe, stimmt so auf keinen Fall. (km)