• Die Deutsche Bahn arbeit derzeit intensiv an ihrem grünen Image.
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Von wegen nur Ökostrom: Wie grün ist die Deutsche Bahn wirklich?

Berlin –

Die Deutsche Bahn befindet sich gerade auf einem großen Werbefeldzug. Ihre ICE-Züge bekommen einen grünen Streifen an der Spitze und am Ende. „Bahnfahren ist aktiver Klimaschutz“, sagt Bahnchef Richard Lutz.

Bereits seit 2018 fährt der Fernverkehr komplett mit Ökostrom. Das bedeutet, dass die Bahn so viel Ökostrom einkauft, wie sie für den Fernverkehr benötigt.

Ökostrom bei Deutsche Bahn: Strom zu 43 Prozent aus Kohle, Gas und Atomkraft

In die Oberleitungen fließt aber generell der normale Bahn-Strommix, der 2018 noch zu 43 Prozent aus Kohle, Gas und Atomkraft stammte. Auf vielen Nebenstrecken fahren außerdem noch Dieselloks. Echte 100 Prozent Ökostrom soll es nicht vor 2038 geben, eine klimaneutrale Bahn bis 2050.

Wie klimafreundlich ist unser Bahnverkehr wirklich? Wie erklärt die Bahn ihre Politik, was sagt ihr schärfster Kritiker, der Journalist und Sachbuchautor Arno Luik („Schaden in der Oberleitung“)? Er klagt an: „Die Bahn ist ein Umweltfrevler.“

Geldregen für Deutsche Bahn aus Klimapaket

Aus dem Klimapaket der Bundesregierung darf die Bahn einen warmen Geldregen in Höhe von 20 Milliarden Euro bis 2030 erwarten. Mit der Unterstützung des Schienenverkehrs soll ein deutlicher Beitrag zur Klimarettung geleistet werden, so die Politik. Für die Kunden hört sich das erst einmal gut an: Der Mehrwertsteuersatz für Fernverkehrstickets sinkt von 19 auf 7 Prozent. Bahnfahren wird damit im Fernverkehr um ca. zehn Prozent günstiger.

Der Bahnchef kündigte bei „Hart aber fair“ am Montagabend in der ARD die „größte Investitions- und Wachstumsoffensive, die die Eisenbahn in den letzten 180 Jahren gesehen hat“ an. Dabei geht es u.a. um den Schienenausbau, 200 neue Fernverkehrszüge, dringend notwendige Infrastrukturverbesserungen und mehr Personal für die Fahrgäste.

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Ab 2022 will die Bahn auch 30 zusätzliche Hochtempozüge (mindestens 300 km/h) auf die Schiene bringen.

„Tempo 300 ist ein Ökofrevel“, sagt Arno Luik. „Ab Tempo 200 muss die Bahn so viel Luft vor sich herschieben, dass der Widerstand gigantisch groß ist, vor allem in den vielen Tunneln, dann verbraucht sie Energie ohne Ende.“ Tempo 300 belaste die Umwelt. „Der Öko-Bonus der Bahn pulverisiert sich“, meint der Kritiker.

Nur 57 Prozent Öko-Strom bei der Deutschen Bahn

In der Kritik steht auch die 100-Prozent-Ökostrom-Werbung der Deutschen Bahn. Betrachtet man den gesamten Bahnbetrieb, also Fern-, Regional- und Nahverkehr, dann sinkt der Anteil des Ökostroms im Bahnstrom-Mix auf aktuell 57 Prozent.

Die „Hart aber fair“-Redaktion konfrontierte den Bahnchef mit ihren Recherchen: Tatsächlich fließen aktuell nicht einmal 57 Prozent Ökostrom durch die Oberleitungen der Bahn. Die Bahn kaufe Ökostromzertifikate, um Atom- und Kohlekraft-Strom zu kaschieren. Dem Klima nutze das wenig.

Lutz räumte ein: „Wir nutzen wie viele andere sogenannte Herkunftsnachweise, die vom Umweltbundesamt anerkannt sind.“ Die Bahn werde aber innovative Modelle mit Windenergie und Wasserkraft in den nächsten Jahren ausbauen, versprach der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG.

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Das seien Öko-Versprechen, die die Bahn seit Jahren mache, sagt Arno Luik. Die Bahn habe schon vor 25 Jahren die Postzüge abgeschafft und die Post im Gegenzug 6000 Lkw angeschafft. „Ein Irrwitz, denn ein Lkw stößt viermal soviel Treibhausgase pro Kilometer aus wie ein Güterzug, der aber die Transportkapazität von 40 Lkw hat.“

Arno Luik sieht keinen Willen zur Öko-Bahn

Den politischen Willen zur Ökobahn könne er auch heute nicht erkennen, sagt Arno Luik: „Die Bahn ist Miteigentümerin des AKWs Neckarwestheim, das ständig durch Störfälle von sich reden macht.“

Die Bahn habe insgesamt gewaltigen Modernisierungsbedarf, so die Meinung von Experten. Nicht mal 60 Prozent des deutschen Schienennetzes sind Stand heute elektrifiziert. Knapp ein Drittel des DB-Betriebs wird von Lokomotiven mit Dieselmotoren bestritten. „Und diese Dieselloks haben zum großen Teil eine Uralt-Technik, das sind Dreckschleudern“, sagt Luik.

Der Bahnchef sieht sein Unternehmen dagegen auf einem guten Weg: „Wir haben noch nie so viel in neue Fahrzeuge investiert“, sagte er bei Plasberg.

Deutsche Bahn müsste für besseres Streckennetz sorgen

Um einen zukunftsorientierten Schienenverkehr anzubieten, müsste die Bahn überhaupt erst einmal für eine funktionierende Infrastruktur und ein besseres Streckennetz in Deutschland sorgen, so Arno Luik.

„In den letzten 25 Jahren ist die Bahn systematisch demontiert worden“, führt Luik weiter aus. „Vor der Bahnreform 1994 hatte sie mehr als 40.000 Kilometer Streckenlänge, jetzt sind es noch 33.000 – eine Reduzierung um fast 20 Prozent. Damals gab es mehr als 130.000 Weichen, jetzt sind es nur noch 70.000. Damals gab es rund 12.000 Gleisanschlüsse für Industriebetriebe, heute sind es bloß noch 2300. Es wird Jahrzehnte dauern, um das System wieder in einen halbwegs funktionierenden Zustand zu bringen.“

Gibt es Grund für Optimismus, dass die Bahn die Mobilitätswende auf die Reihe kriegt? Nicht wirklich, meint Luik, „in seinem ersten vollen Amtsjahr als Bahnchef hat Richard Lutz 344 Weichen rausreißen, 242 Bahnhöfe schließen, 205 Haltepunkte wegfallen lassen“.

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