Nach Eklat in Thüringen: FDP-Politiker Thomas Kemmerich tritt nun doch zurück
Erfurt –
Die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen erschütterte am Mittwoch ganz Deutschland, da der FDP-Abgeordnete es lediglich mit den Stimmen der AfD geschafft hat, die Wahl zu gewinnen.
Am Donnerstag dann die Kehrtwende, Thomas Kemmerich erklärte, dass er zurücktreten werde. Diesen reichte er jedoch nicht sofort ein. Dafür nannte er formelle Gründe. Am Freitag berieten die Spitzen von CDU und FDP über ihr Vorgehen. Am Samstag (8. Februar) ist Thomas Kemmerich nun doch von seinem Amt als Ministerpräsident Thüringens zurückgetreten.
Derweil droht den Parteien laut aktuellen Umfragen ein Debakel.
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Thomas Kemmerich tritt von Amt als Ministerpräsident zurück
Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich ist am Samstag von seinem Amt als Ministerpräsident Thüringens zurückgetreten.
„Hiermit erkläre ich meinen Rücktritt als Ministerpräsident des Freistaates Thüringen mit sofortiger Wirkung“, erklärte er in Erfurt. Sämtliche aus dem Amt des Ministerpräsidenten und des geschäftsführenden Ministerpräsidenten entstehenden Bezüge werde er an die Staatskasse zurückgeben.
FDP-Spitze spricht Parteichef Christian Lindner Vertrauen aus
Die FDP-Spitze hat Parteichef Christian Lindner nach seinem Kriseneinsatz in Thüringen mit deutlicher Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen. Lindner erhielt bei einer Abstimmung im Bundesvorstand von 36 abgegebenen Stimmen 33 Ja-Stimmen, wie er am Freitag in Berlin selbst erklärte. Ein Mitglied stimmte demnach gegen ihn. Zwei Anwesende enthielten sich.
Lindner dankte seinen Parteikollegen und räumte eigene Fehler ein. Er habe die Taktik der AfD bei der Wahl des Ministerpräsidenten von Thüringen falsch eingeschätzt, räumte er ein.
Lindner sagte: „Thüringen war ein Ernstfall und ist unverändert ein Ernstfall für die politische Kultur insgesamt und insbesondere für die FDP“. Seine Partei bedauere zutiefst, dass die Vorgänge in Erfurt bei vielen Zweifel „an der Grundhaltung der FDP ausgelöst“ hätten. Die FDP habe im Bundestag immer eine klare Grenze gezogen zur AfD, betonte er. Lindner erklärte: „Die AfD setzt auf Ausgrenzung, wo wir auf Toleranz setzen.“
Die Beratungen im Bundesvorstand der Freidemokraten waren nach dem Eklat um die Wahl von Parteimitglied Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten nötig geworden. Nachdem Kemmerich die Wahl, die ohne Stimmen der AfD nicht möglich gewesen wäre, angenommen hatte, war auch Lindner unter Druck geraten.
Thüringen: Umfrage-Hammer für die CDU, Partei droht Debakel
Neuwahl oder nicht? Wie es in Thüringen weitergeht, bleibt zwei Tage nach der umstrittenen Ministerpräsidenten-Wahl unklar. Die Führungsgremien von CDU und FDP im Bund beraten in Berlin am Freitag über die Lage. Die SPD-Spitze sieht die große Koalition beschädigt.
Derweil haben die Vorgänge um die Ministerpräsidenten-Wahl die politische Stimmung im Freistaat stark verändert. Für das RTL/ntv-Trendbarometer hat Forsa nach der überraschenden Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten ermittelt, dass die CDU gegenüber der Landtagswahl im Oktober 2019 knapp zehn Prozentpunkte verlieren würde, wenn jetzt erneut gewählt würde. Die Christdemokraten würden von 21,7 auf 12 Prozent abrutschen. Die FDP käme noch auf 4 Prozent und würde es nicht mehr in den Landtag schaffen.
Die Linke könnte 6 Prozentpunkte zulegen, auch alle übrigen Parteien würden derzeit besser abschneiden als bei der Wahl vor vier Monaten: Grüne plus 1,8 Prozent, die sonstigen kleineren Parteien plus 1,5 Prozent, SPD plus 0,8 und AfD plus 0,6 Prozent. Rot-Rot-Grün käme zusammen auf 53 Prozent, so dass der abgewählte Ministerpräsident Bodo Ramelow sich auf eine regierungsfähige Mehrheit stützen könnte.
Die Umfrage zeigt außerdem: Die meisten Thüringer wollen Bodo Ramelow wiederhaben. 65 Prozent bedauern, dass Bodo Ramelow nicht mehr Regierungschef ist. Wenn die Thüringer ihren Ministerpräsidenten direkt wählen könnten, würden sich 64 Prozent für den Linken Ramelow entscheiden.
CDU will keine sofortigen Neuwahlen in Thüringen
Die thüringische Landes-CDU hat sich in stundenlangen Krisenberatungen nicht auf die Zustimmung zu raschen Neuwahlen einigen können. Bundeschefin Annegret Kramp-Karrenbauer verwies bei Verlassen der Sitzung in der Nacht zum Freitag auf Initiativen der Parteien im thüringischen Landtag, „Stabilität im derzeitigen Parlament herzustellen“.
Die CDU werde „diese Bemühungen unter Wahrung ihrer Grundsätze nicht blockieren“, sagte sie. „Klar ist auch, sollten diese Gespräche scheitern, stehen am Ende unausweichlich Neuwahlen.“ In der CDU in Thüringen war von einem „sehr intensiven, teilweise emotionalen Austausch“ die Rede.
Bundes-CDU und Landesverband seien sich einig, dass in Thüringen „stabile Verhältnisse“ nötig seien. Die CDU Thüringen habe zugestimmt, einer möglichen Neuwahl nicht im Wege zu stehen. Anders als die Bundesvorsitzende lehnt der Landes- und Fraktionsvorsitzende Mike Mohring rasche Neuwahlen nach dem Debakel um die Ministerpräsidentenwahl ab. In der Sitzung sei es auch um Mohrings politische Zukunft gegangen, hieß es in der CDU.
Ursprünglich hatten Mohring und Kramp-Karrenbauer bereits um 20.30 Uhr vor die Presse treten wollen. Dieser Termin wurde immer wieder verschoben und schließlich abgesagt. Kramp-Karrenbauer gab bei Verlassen der Sitzung ein kurzes Statement ab, die Fraktion setzte ihre Sitzung in der Nacht fort.
Die CDU-Fraktion im Erfurter Landtag hatte gegen die ausdrückliche Empfehlung der Bundesspitze dem auch von der AfD unterstützten FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit ihren Stimmen zum Amt des Ministerpräsidenten verholfen. Kramp-Karrenbauer wertete dies als Verstoß gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD verbietet. Mohring hatte sich vor Kramp-Karrenbauers Eintreffen vom CDU-Landesvorstand das Vertrauen aussprechen lassen. Offen war in der Nacht, ob er noch das Vertrauen der Mehrheit in seiner Fraktion genießt.
Linke, SPD und Grüne stellten unterdessen Kemmerich ein Ultimatum. Der Ministerpräsident solle umgehend zurücktreten oder im Landtag die Vertrauensfrage stellen, sagten Vertreter der drei Parteien am Abend in Erfurt. Bis Sonntag solle er sich erklären. Zugleich forderten sie die Fraktionen von CDU und FDP auf, die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten zu ermöglichen. Kemmerich hatte am Donnerstag angekündigt, sich von seinem Amt zurückzuziehen und die Auflösung des Landtags zu beantragen, um Neuwahlen zu ermöglichen. Die Hürden dafür sind aber sehr hoch. Für die Auflösung des Landtags wird eine Zweidrittelmehrheit gebraucht.
FDP löst Landtag auf – Thomas Kemmerich tritt zurück
Der Thüringer Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) will sein gerade erst erworbenes Amt wieder zur Verfügung stellen. „Der Rücktritt ist unumgänglich“, sagte der FDP-Politiker am Donnerstag in Erfurt.
Zudem will die FDP-Fraktion Thüringen einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen. Das teilte der neue Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) am Donnerstag in Erfurt mit.
Am Abend stellte sich die Thüringer FDP geschlossen hinter ihren Vorsitzenden. Der Landesvorstand sprach Kemmerich am Donnerstagabend einstimmig das Vertrauen aus. Der Vorstand zeigte sich erschüttert „über den organisierten Hass in Form von Massenmails und Drohbriefen, der den Liberalen derzeit entgegenschlägt“. „Eine Zusammenarbeit mit den extremen Rändern stand für die FDP-Fraktion nie zur Debatte“, erklärte Generalsekretär Robert-Martin Montag.
Thüringen: Linke, SPD und Grüne setzen Thomas Kemmerich Ultimatum
Linke, SPD und Grüne haben dem Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) ein Ultimatum gesetzt. Kemmerich solle umgehend zurücktreten oder im Landtag die Vertrauensfrage stellen, sagten Vertreter der drei Parteien am Donnerstagabend in Erfurt.
Bis Sonntag solle er sich erklären. Zugleich forderten sie die Fraktionen von CDU und FDP auf, die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten zu ermöglichen.
Angela Merkel: Wahl muss rückgängig gemacht werden
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten mit AfD-Stimmen als „unverzeihlich“ kritisiert. Das Ergebnis dieses Vorgangs müsse rückgängig gemacht werden, sagte Merkel am Donnerstag bei einem Besuch in Südafrika und stellte sich damit indirekt hinter Neuwahl-Forderungen.
Christian Lindner reiste nach Erfurt
FDP-Chef Christian Lindner sucht nach der umstrittenen Wahl seines Parteifreundes Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten einen Weg aus der Krise. Lindner war am Morgen unterwegs nach Erfurt, um mit der Landes-FDP über die weiteren Schritte zu beraten.
Nach dem Protest mehrerer Landesverbände dagegen, dass sich Kemmerich mit den Stimmen der AfD zum Regierungschef wählen ließ, deutet sich an, dass Lindner auf eine rasche Lösung dringt, wie auch der Berliner „Tagesspiegel“ unter Berufung auf Parteikreise berichtete. Demnach wolle der FDP-Chef den Thüringer Kollegen zum Rückzug bewegen. Am Mittwoch hatte Lindner noch an CDU, SPD und Grüne appelliert, das Gesprächsangebot Kemmerichs anzunehmen.
Hier lesen Sie mehr: Ein Kommentar – Christian Lindners Satz von 2017 wird zum Eigentor
Lindners Stellvertreter Wolfgang Kubicki sprach sich denn auch für eine Neuwahl aus. „Die Erklärung der Minderheitskoalitionäre aus Linken, SPD und Grünen, Fundamentalopposition zu betreiben, schafft eine neue Lage“, sagte Kubicki am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe offensichtlich keine Mehrheit im Landtag in Erfurt jenseits der AfD.
Thomas Kemmerich bestreitet Zusammenarbeit mit AfD
„Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten, die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht herstellen lassen. Die freien Demokraten werden weiter für einen Politikwechsel kämpfen und gegen die Extreme von rechts und links“, erklärte Kemmerich am Donnerstag. Zudem bestreitet der FDP-Politik die vorgeworfene Zusammenarbeit mit der AfD.
„Eine Zusammenarbeit mit der AfD gab es nicht, gibt es nicht und wird es nicht geben“, so Kemmerich. Auf die Frage, ob er mit der Annahme der Wahl einen Fehler gemacht habe, entgegnete er: „Nein.“ „Wir haben diesen Schritt sehr wohl überlegt. Die Auflösung des Parlaments dient dazu, die Mehrheiten in diesem Parlament, die nicht tauglich sind, Demokratie abzubilden, darzustellen und den Wähler wiederum zu bitten ein neues Votum für einen zukünftigen Landtag abzugeben.“
Thüringer CDU-Chef übersteht Vertrauensfrage
Der Thüringer CDU-Landespartei- und Fraktionschef Mike Mohring hat im Landesvorstand seiner Partei die Vertrauensfrage gestellt und überstanden. Das gab der Thüringer CDU-Generalsekretär Raymond Walk am Donnerstag bekannt.
Demnach wurde Mohring als Landesvorsitzender mit zwölf Ja-Stimmen in seinem Amt bestätigt. Gegen Mohring stimmten laut Walk zwei Vorstandsmitglieder.
Bodo Ramelow zieht Vergleich zu Adolf Hitler
Der Gegenwind von Politikern und Wählern ist entsprechend. Kemmerichs Vorgänger Bodo Ramelow zog sogar einen Vergleich zu Adolf Hitler (hier lesen Sie mehr). (dpa, afp, red)