Was bedeutet das Triage-Urteil für Infizierte?
Die Intensiv-Stationen sind dank Corona bereits rappelvoll, Beatmungsmaschinen mit entsprechendem Personal Mangelware. Schlägt nun die Omikron-Variante so brutal zu, wie viele Experten befürchten, könnten es bald zu Triage-Situationen kommen.
Menschen mit Behinderung und Vorerkrankungen fürchten in einer solchen Szenario benachteiligt zu werden. Sie zogen deshalb vor das Bundesverfassungsgericht. Mit Erfolg. Die Ampel-Koalition muss nun „unverzüglich“ handeln.
Was ist eine Triage?
Von einer Triage spricht man, wenn Ärzte wegen des Mangels an Intensivbetten gezwungen sind, Corona-Infizierte nach Überlebenschancen einzuteilen – und zu behandeln. Das Wort stammt aus dem Französischen und bedeutet „sortieren“ oder „aussuchen“. Gemeint ist also eine Not-Situation in der womöglich nicht alle Leben gerettet werden können.
Was haben die Richter entscheiden?
Das oberste Gericht betrachtet es als verfassungswidrig, dass es bisher keine gesetzliche Regelung gibt, nach welchen Kriterien eine Triage abzulaufen hat. Der Staat habe eine Pflicht zum Schutz von Menschen mit Behinderung vor Diskriminierung, die sich aus dem Grundgesetz ergibt. Deshalb müsse der Gesetzgeber „unverzüglich“ eine gesetzliche Regelung beschließen.
Starten Sie bestens informiert in Ihren Tag: Der MOPO-Newswecker liefert Ihnen jeden Morgen um 7 Uhr die wichtigsten Meldungen des Tages aus Hamburg und dem Norden, vom HSV und dem FC St. Pauli direkt per Mail. Hier klicken und kostenlos abonnieren.
Was gilt bisher?
Bisher gibt es nur klinisch-ethische Empfehlungen von medizinischen Fachgesellschaften, welcher Covid-19-Patient ein Bett oder eine Beatmungsmaschine bekommt und wer zunächst nicht. Maßgeblich dabei ist, wer nach ärztlicher Untersuchung die bessere Erfolgsaussicht habe. „Bisher herrschte bei den Entscheidungen Willkür“, sagt Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz.
Welche Rolle spielt der Impfstatus?
Bisher keine. Das Verfassungsgericht hat dazu auch nicht geurteilt. Es gibt aber Rechts-Experten, die fordern, dass Ungeimpfte bei einer Covid-Behandlung benachteiligt werden sollen. Die Rechtswissenschaftlerin Tatjana Hörnle beispielsweise verweist auf das vielfach erhöhte Risiko von Ungeimpften, auf der Intensiv-Station zu landen und deren vorausgegangene Entscheidung, dieses Risiko bewusst einzugehen.
Was sagt die Bundesregierung zu dem Urteil?
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat eine rasche Umsetzung des Urteils angekündigt. „Das erste Ziel muss sein, dass es erst gar nicht zu einer Triage kommt. Wenn aber doch, dann bedarf es klarer Regeln, die Menschen mit Handicaps Schutz vor Diskriminierung bieten“, schrieb er auf Twitter.
Das könnte Sie auch interessieren: Hamburg ist Omikron-Hauptstadt: Woran das liegt und was es zu bedeuten hat
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte: „Menschen mit Behinderung bedürfen mehr als alle anderen des Schutzes durch den Staat. Erst Recht im Falle einer Triage.“
Wie könnte das Gesetz aussehen?
Die Richter billigen dem Bundestag ausdrücklich einen eigenen Entscheidungsspielraum zu. Allerdings drängt das Gericht auf das „Mehraugenprinzip“ bei der Entscheidung, was aber schon heute geschieht. Zudem soll es eine Dokumentation des Vorgangs geben, damit Hinterbliebene die Entscheidung nachvollziehen können. Ampel-Politiker kündigten an, bereits in der ersten Januar-Woche mit Expertenanhörungen im Bundestag beginnen zu wollen.