Ersatz für Hartz-IV: Was Sie über das Bürgergeld wissen sollten
Die wichtigste Sozialreform der Ampel-Koalition ist auf dem Weg: Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das neue Bürgergeld beschlossen. Es soll das bisherige Hartz-IV-System ersetzen. „Der Geist des neuen Systems ist nicht der von Misstrauen, sondern von Ermutigung, von Befähigung“, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist der wichtigste Unterschied zu Hartz IV?
Das neue Bürgergeld wird etwas höher ausfallen als die bisherige Grundsicherung. Geplant ist ein Regelsatz von 502 Euro im Monat für alleinstehende Erwachsene. Der Hartz-IV-Satz liegt im Moment bei 449 Euro im Monat. Außerdem soll den Bürgern ein Vertrauensvorschuss gewährt werden: Jobcenter-Mitarbeiter und Arbeitslose sollen sich mehr als bisher „auf Augenhöhe“ begegnen, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Auch in den Schreiben der Jobcenter soll das zum Ausdruck kommen. Diese sollen künftig freundlicher im Ton sein und weniger juristisch komplizierte Sätze enthalten.
Was passiert mit den Sanktionen?
Diese bleiben im Grundsatz bestehen, fallen aber sehr viel milder aus als bisher. Im ersten halben Jahr sind die üblichen Leistungsminderungen, wenn jemand Termine beim Jobcenter versäumt, sind nur noch eingeschränkt möglich. Erst nach diesen sechs Monaten greifen diese im Ernstfall voll. Bei „Pflichtverletzungen“ hingegen, wenn also eine zumutbare Arbeit nicht angenommen wurde, soll es im ersten halben Jahr gar keine Sanktionen mehr geben. Das stößt vor allem in der Union auf Kritik. Heil verteidigt aber das Vorhaben: „Menschen, die chronisch keine Termine beim Jobcenter wahrnehmen, die haben auch mit Rechtsfolgen im neuen System zu rechnen.“
Gibt es auch Anreize im System?
Ja. Diese fehlten bei Hartz IV fast völlig. Am 1. Januar 2023 soll es eine Fortbildungspauschale von 150 Euro geben. Hintergrund: Mit Fortbildungen sind Menschen leichter in den regulären Arbeitsmarkt zu vermitteln. Laut Heil haben etwa zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung.
Was ändert sich bei den Zuverdienst-Möglichkeiten?
Arbeit soll sich im Bürgergeld stärker lohnen als bisher, auch wenn der Verdienst nicht reicht, um aus der Grundsicherung herauszukommen. Im Hartz-System dürfen die Betroffenen 20 Prozent des Zuverdienstes (520 bis 1000 Euro) behalten. Künftig sollen es 30 Prozent sein. Schüler aus betroffenen Familien dürfen das Geld beispielsweise aus Ferienjobs voll behalten.
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Was ändert sich beim Vermögen?
Auch wenn man Bürgergeld bezieht, soll man zwei Jahre lang bis zu 60.000 Euro Vermögen haben dürfen. Erst danach werden Vermögen und Angemessenheit der Wohnung überprüft.
Ist die hohe Inflation beim Bürgergeld berücksichtigt?
Ja. Die Regelsätze werden ähnlich wie bei Hartz IV berechnet und haben einen zusätzlichen Mechanismus zum Inflationsausgleich. Unter anderem das Deutsche Kinderhilfswerk hält das aber nicht für ausreichend. Die Preissteigerungen würden die die höheren Sätze „komplett zunichtemachen“, klagt Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann. Heil will das aber nicht gelten lassen. Die besonders gestiegenen Heizkosten würden im Bürgergeld zusätzlich übernommen, argumentiert er.
Was sagen die Kritiker?
Vor allem CDU und CSU laufen gegen das Bürgergeld Sturm. Sie sehen darin einen Fehlanreiz. Alexander Dobrindt (CSU) klagt beispielsweise, der bisherige Grundsatz „Fordern und Fördern“ werde zu stark eingeschränkt. „Das kann gerade dazu führen, dass der Leistungsbezug zementiert wird und Demotivation statt Arbeitsaufnahme gefördert wird.“ Die Linke beispielsweise argumentiert aus einem anderen Blickwinkel und spricht von „Armut per Gesetz“.
Wie geht es jetzt weiter?
In den kommenden Wochen werden sich Bundestag und Bundesrat noch mit dem Gesetz befassen. Größere Änderungen sind in diesem Fall aber nicht mehr zu erwarten.