Weihnachten ohne die Familie?: Scharfe Kritik an neuen Lockdown-Plänen
Berlin/Genf –
Die Verlängerung des Teil-Lockdowns und damit verbundene Einschränkungen sorgen für scharfe Kritik – besonders die Pläne einiger Landesregierungen, an den Weihnachtstagen nur Kontakte zu fünf bis zehn Personen zu erlauben.
„So starre Regelungen sind fernab jeder Lebensrealität vieler Familien und verspielen langfristig das Vertrauen in die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie“, sagte die stellvertretende Fraktionschefin Katja Suding der „Welt“ (Dienstag). Ganz besonders Patchwork-Familien stelle eine so unflexible Regelung vor die kaum zumutbare Entscheidung, wer mit unterm Weihnachtsbaum sitzen dürfe und wer nicht. „Wir sollten den Familien zutrauen, selbstständig verantwortungsbewusst darüber zu entscheiden, mit wie vielen Familienmitgliedern sie Weihnachten feiern wollen“, sagte sie.
Verbot laut FDP „kaum kontrollier- oder durchsetzbar“
Hans-Ulrich Rülke, FDP-Fraktionschef in Baden-Württemberg, sagte, ein Verbot wäre „kaum kontrollier- oder durchsetzbar“ und ginge schlicht zu weit. „Wir dürfen den Familienfrieden an den Feiertagen nicht durch staatlich sanktionierte Eingriffe gefährden.“
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Kritik kommt auch von der Linken. Auf große Familienfeste solle zwar möglichst verzichtet werden, sagte Katrin Werner, familienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion. Aber eine starre Begrenzung der Personenzahl oder Haushalte sei nicht sinnvoll, sagte sie der „Welt“. „Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen zu schauen, wie das Weihnachtsfest mit einem möglichst geringen Infektionsrisiko ablaufen kann.“
WHO warnt vor Lockerungen über Weihnachten
Hingegen warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor Lockerungen von Corona-Restriktionen über Weihnachten, wenn Behörden das Infektionsgeschehen nicht voll unter Kontrolle haben. „Wenn sich Menschen untereinander anstecken und wenn ein Land nicht die nötige Infrastruktur hat, um Fälle zu verfolgen und Kontakte zu isolieren und in Quarantäne zu schicken, dann wird eine Lockerung zu stärkeren Ansteckungen führen“, sagte WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan am Montagabend in Genf.
Regierungen müssten sich im Klaren sein, dass sie nur Risiken abwägen könnten. Eine wissenschaftliche Formel, welche Lockerungen vertretbar oder wie viele Feiertage ohne größere Auflagen sicher seien, gebe es nicht. Allerdings räumte er ein: Wenn Menschen sich über die Feiertage nicht treffen dürften, entstehe eine große Frustration, eine Corona-Müdigkeit und womöglich Widerstand gegen die Maßnahmen, räumte er ein.
Schulgewerkschaft hält Maßnahmen nicht für ausreichend
Auch in Bezug auf die Maßnahmen an Schulen gibt es Kritik. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält die Vorlage der Länder mit Blick auf die Schulen für unzureichend. „Die GEW erwartet, dass sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder endlich auf Leitlinien verständigen, wie sie Gesundheitsschutz für Lehrkräfte, Schüler sowie deren Eltern und das Offenhalten der Schulen unter einen Hut bringen wollen. Wir dringen noch einmal darauf, jetzt schnell Modelle für den Wechselunterricht zu entwickeln, bevor die Schulen vom Infektionsgeschehen überrollt werden“, sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Mittwoch) mit Blick auf die anstehende Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch.
Das Robert Koch-Institut habe gute Vorschläge gemacht, ab welchen Inzidenzwerten Maßnahmen wie Klassen zu teilen, Mund-Nasenschutz zu tragen und verstärkt zu lüften ergriffen werden sollten. „Dies muss der Maßstab für die Entscheidungen von Bund und Ländern sein. Alles andere ist politisch verantwortungslos“, betonte Tepe.
Corona-Tests für Kitapersonal gefordert
Die Gewerkschafterin lenkte auch den Blick auf die Kitas. Auch dort stiegen die Fälle, auch dafür müssten die Regierungschefs ein Konzept finden. „Wenn Kitas für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig sind, müssen Beschäftigte und Kinder besser geschützt werden als bisher. Ein ‚Weiter so‘ darf es nicht geben“, sagte Tepe. Die GEW schlage ein einheitliches, abgestimmtes Vorgehen bei Infektions- und Verdachtsfällen sowie anlasslose Corona-Tests für das Kitapersonal vor, um die Sicherheit zu erhöhen. (wb/dpa)