Positiver Nebeneffekt?: Die Corona-Pandemie senkt den CO2-Ausstoß – einerseits
Exeter –
Hilft der Lockdown der Corona-Pandemie dem Klima? Einerseits, ja: Viele Menschen arbeiten daheim, nur wenige fliegen noch, die Fabriken wurden lange zurückgefahren. Andererseits: Trotz eines Rückgangs des weltweiten Ausstoßes von Kohlendioxid steigt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre weiter.
Vor allem wegen der Corona-Pandemie ist der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid aus Verbrennung von Kohle, Öl und Gas 2020 um sieben Prozent im Vergleich zu 2019 zurückgegangen. Die Menge sank um 2,4 Milliarden Tonnen auf jetzt 34 Milliarden Tonnen CO2. Das geht aus einer Bilanz des Global Carbon Projects hervor, die im Journal „Earth Systems Science Data“ erschienen ist.
Ausstoß von Kohlendioxid 2020 zurückgegangen
In den USA – mit minus 12 Prozent – und in der EU – mit minus 11 Prozent – war der Rückgang der CO2-Emissionen besonders groß. „Hier trafen verringerte Emissionen aus der Kohlenutzung und die Auswirkungen der pandemiebedingten Beschränkungen zusammen“, sagte Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München, eine der Autorinnen der Studie, laut einer Mitteilung ihrer Universität.
Bereits zuvor sei der Ausstoß langsamer als in den Vorjahren gewachsen, mit der Corona-Pandemie seien die Emissionen nun deutlich gesunken. „Ob dies einen Trend einläutet, hängt allerdings stark davon ab, wie sich die Maßnahmen in den Covid-19-Stimuluspaketen weltweit ausgestalten“, betont Pongratz.
Befürchtung: Sprunghafter Anstieg der Emissionen nach Pandemie
Ob der Rückgang der Emissionen sich in der Zukunft fortsetzt, sei derzeit noch nicht abzuschätzen, warnt das Team unter Leitung von Pierre Friedlingstein von der University of Exeter (Großbritannien). Nach dem Rückgang der Emissionen wegen der globalen Finanzkrise, seien die Emissionen 2010 sprungartig um fünf Prozent angestiegen, als sich die Wirtschaft erholte. Es bestehe die Befürchtung, dass auch 2021 ein sprunghafter Anstieg der CO2-Emissionen geschehe.
Im Oktober 2020 sei bereits schon wieder eine Annäherung an das Niveau von 2019 zu beobachten gewesen. Es müssten jedoch bis 2030 jedes Jahr ein bis zwei Milliarden Tonnen CO2 weltweit eingespart werden, um die Pariser Klimazielvorgaben nicht zu überschreiten. „Dabei können wir von Glück reden, dass mehr als die Hälfte der menschengemachten CO2-Emissionen vom Ozean und von der Landvegetation aufgenommen werden“, hob Pongratz bei einer Online-Pressekonferenz hervor.
Der Rückgang 2020 war – rein von den eingesparten Tonnen her gesehen – erheblich größer als frühere Einschnitte etwa von 0,5 Milliarden Tonnen 2009 oder 0,9 Milliarden Tonnen am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945. Doch auch wenn 2020 weniger CO2 ausgestoßen wurde als 2019, stieg der Gehalt des langlebigen Treibhausgases in der Atmosphäre weiter: Im Jahresmittel wird er voraussichtlich den neuen Rekordwert von 412 ppm (parts per million) erreichen.
Trotz weniger CO2-Ausstoß steigt Gehalt von Treibhausgas in Atmosphäre weiter
Den größten Anteil am Rückgang hatte der Landverkehr, aus dem 21 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen stammen. Auf dem Höhepunkt der Lockdown-Maßnahmen im Frühjahr war der Ausstoß auf diesem Sektor um 50 Prozent gesunken. Im Vergleich dazu fielen die Emissionen in der Industrie mit 30 Prozent und der Stromerzeugung mit 15 Prozent geringer aus. Lediglich im Luftverkehr war der Rückgang mit 75 Prozent noch höher als beim Landverkehr. Allerdings war die Wirkung geringer, da die Emissionen nur 2,8 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes ausmachen.
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Ermutigend finden die Forscher den Nachweis, dass eine klimafreundliche Politik bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum möglich ist. In den Jahren 2010 bis 2019 gingen die fossilen CO2-Emissionen bereits in 24 Staaten mit wachsenden Volkswirtschaften deutlich zurück, darunter in Deutschland, 14 weiteren EU-Staaten, Großbritannien, den USA und Japan.
Klimafreundliche Politik und Wirtschaftswachstum geht zusammen
Erstmals errechnete das Global Carbon Project anhand seiner Daten und Modelle die Brutto-Bilanz für die Änderungen der Landnutzung. Insbesondere durch Entwaldung wurden 2020 rund 16 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt. „Die Entwaldung schreitet vor allem in tropischen Regionen immer noch stark fort“, sagt Pongratz. Andererseits führten andere Maßnahmen, vor allem die Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzflächen, zu einer CO2-Aufnahme auf der Landoberfläche von 11 Milliarden Tonnen. Wird die Differenz zu den 34 Milliarden Tonnen CO2 aus der Nutzung fossiler Brennstoffe hinzugezählt, ergeben sich für 2020 menschengemachte CO2-Emissionen von 39 Milliarden Tonnen.
Die Wissenschaftler betonen, dass trotz des Rekordrückgangs des CO2-Ausstoßes die verbleibenden Emissionen weiterhin zu einem Anstieg des CO2 in der Lufthülle der Erde führen. „Der atmosphärische CO2-Gehalt und damit das Weltklima werden sich nur stabilisieren, wenn die globalen CO2-Emissionen nahe null sind“, unterstreicht der leitende Forscher Friedlingstein. (vd/dpa)