Happy Birthday, Böhmi!: Der blasse dünne Junge wird erwachsen
Köln –
So, das war’s mit „blasser dünner Junge“. Ab heute (spätestens!) geht Jan Böhmermann nicht mehr als „junger Wilder“ durch. Der Moderator wird nämlich stolze 40. Altersgemäß ist er vor kurzem ja auch von ZDFneo ins Hauptprogramm gewechselt. Und so ‘nen richtigen Böhmi-Skandal gab’s auch schon lange nicht mehr. Was auch mit „Erdogate“ zu tun haben dürfte. Das nur in Teilen gelungene Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten, das ihn zum Staatsfeind Nr. 1 am Bosporus und kurz auch hierzulande machte. Und zum Wendepunkt seiner Karriere wurde.
Im Lied „Blasserdünnerjunge macht sein Job“ (2018) seines Alter Egos „Polizistensohn“ beschreibt Böhmermann das Problem ganz gut, das er sich irgendwann selbst eingebrockt hatte: „Für Zecken bin ich Nazi, für Nazis bin ich Zecke.“ Seine „Schmähkritik“ an Erdogan kam nicht ohne rassistische Stereotype aus, bediente sich etwa des Bildes des „Ziegen fickenden“ Orientalen. Obwohl Böhmermann sich bestimmt nicht als Rassist verstanden wissen möchte. Auch sein erster Hit „Ich hab Polizei“ (2016) bediente rassistische Klischees. Und klassistische, also die soziale Herkunft betreffende: Da machte sich ein weißer (Fast-)Akademiker aus der gehobenen Mittelschicht lustig über einen migrantischen Musiker aus Offenbach mit türkischen Wurzeln und ohne Schulabschluss: den Rapper Haftbefehl.
Böhmermanns großes Vorbild: Harald Schmidt
Das alles hat zum einen mit Böhmermanns Satire-Verständnis zu tun: Einige sagen ja, Satire dürfe im Grunde alles. Zum anderen dürfte es mit seinem Vorbild Harald Schmidt zu tun haben. Andere Zeit, ja. Aber auch anderer Typ. „Dirty Harry“ riss Frauen- und Polen-Witze. Das mutet aus heutiger Sicht komisch an, aber auch feministische Autorinnen der „taz“ gestehen Schmidt zu: Er spielte so virtuos mit den Klischees, dass nie klar war, ob er sich nicht eigentlich über Menschen lustig macht, die solche Witze lustig finden.
Als Böhmi 2009 bis 2012 selbst bei Harald Schmidts Show arbeitete, sei ihm eingebläut worden, nie preiszugeben, was man wirklich denkt, verriet er 2020 der „Süddeutschen“. Nach „Erdogate“ scheint er sich das nochmal überlegt zu haben. Damals tauchte er für Wochen ab. Sein erster Auftritt: Mit dicken Augenringen, zerzaustem Haar. Keine Inszenierung, er schien wirklich mitgenommen.
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Seither die Wende: Böhmermann macht klar, wo er steht – ob Frontex, ob Querdenker, ob AfD. 2019 ernannte der „Spiegel“ ihn zur „Ikone der Linken“. Steht ihm auch besser. Und sein „ZDF Magazin Royale“ besticht durch wöchentliche Investigativ-Knaller. Und in seinem neuesten Song als „Polizistensohn“ gibt es einen ganz besonderen Stargast: Es ist kein geringerer als Haftbefehl selbst. Missverständnisse ausgeräumt. Happy Birthday, Böhmi!