Schlagerstar wird 75: Howard Carpendale: „Manchmal geht es um Leben und Tod“
Happy Birthday, Howie! Schlager-Star Howard Carpendale feiert heute seinen 75. Geburtstag, seit 50 Jahren steht er auf der Bühne. Im Interview mit der MOPO spricht der Sänger über seine Jubiläums-Tournee, die von Corona jäh gestoppt wurde, die Lage in den USA, wo er lange lebte, und darüber, wie wichtig Hamburg für den Start seiner Karriere war.
MOPO: Herr Carpendale, seit 50 Jahren stehen Sie auf der Bühne, oft auch in Hamburg. Erinnern Sie sich noch an Ihr allererstes Konzert hier?
Howard Carpendale: Ja, das war in der Musikhalle, es kamen 400 Menschen. Da hat es zum ersten Mal gefunkt zwischen mir und dem Publikum, da fing meine Karriere als Entertainer an. Das klingt vielleicht kitschig, aber deshalb ist Hamburg eine der wichtigsten Städte in Deutschland für mich. Ich habe hier auch sehr viele Platten aufgenommen, ich fühle mich an London erinnert, wenn ich durch die Straßen fahre. Und ich hoffe immer noch, dass der HSV mal wieder in die Bundesliga aufsteigt.
Wenn Sie ein Konzert von damals vergleichen mit einem Konzert von heute – was hat sich für Sie geändert?
Ich bin hundert Mal besser geworden (lacht). Spaß beiseite, aber nach 50 Jahren haben wir mit der „Show meines Lebens“ wirklich eine optimale Show zusammengestellt, drei Stunden ohne einen schwachen Moment, ohne einen Titel oder Witz, der falsch platziert ist, das habe ich noch nie so erlebt. Und dann hält dieses blöde Virus uns in unserer Spur einfach an und jetzt sitze ich hier und brenne darauf, diese Show weiterzugeben, und weiß nicht, ob ich das jemals tun darf.
Glauben Sie, dass Sie 2021 zurückkönnen auf die Bühne?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausverkaufte Häuser wieder erlaubt werden in diesem Jahr. Wenn ich 40 wäre, würde es mich nicht so stören, aber ich bin jetzt nun einmal 75, auch wenn ich mich nicht so fühle. Und für unsere Branche ist es eine Katastrophe.
Wenn Sie sich etwas wünschen dürften zu diesem 75. Geburtstag und Sie wüssten, es würde auf jeden Fall auch in Erfüllung gehen, was wäre das?
Ein Signal, dass wir anfangen, unsere Welt wieder besser zu machen. Wir reden alle von der Pandemie, aber das ist nur die Spitze unserer Probleme. Darunter liegt die Klimakrise, darunter liegt der Rassismus, wir müssen so vieles ändern. Ich sehe im Moment aber keinen Menschen, keinen Politiker, dem ich das zutraue. Joe Biden hat in den USA vieles richtig gemacht in den vergangenen zwei Monaten, aber ob er wirklich ein großer Motivator ist, das bezweifle ich. Es müssten junge Menschen die Entscheidungen treffen, weil sie ihre eigene Zukunft damit beeinflussen.
Ihre Frau Donnice ist US-Amerikanerin, Sie haben einige Jahre in Florida gelebt und dort beim Golfen auch einmal Donald Trump getroffen. Ihr Sohn Cass lebt immer noch in den USA. Wenn Sie die Bilder davon sehen, wie ein bewaffneter Mob das Kapitol in Washington stürmt …
… es ist unfassbar, einfach unfassbar. Einen Tag nach der US-Wahl im November habe ich zu meinem Manager gesagt, dass noch Menschen sterben werden. Ich bin nicht stolz auf diese Voraussage, aber das ist jetzt passiert. Es geht auch viel, viel tiefer, als das, was wir an diesem Tag gesehen haben. Wir haben als Gesellschaft eine völlig falsche Ausfahrt von der Straße genommen und uns total verloren.
Ermöglicht es Ihnen Ihre Rolle als Künstler, daran etwas zu ändern?
Ich spreche über diese Dinge bei meinen Konzerten, aber ich mache mir nicht vor, dass ich überaus wichtig bin, auch wenn mir das schwerfällt. Ich war meistens der Kapitän in meinem Leben und habe auch das Gefühl, etwas zu sagen zu haben. Aber wahrscheinlich nehmen viel zu viele Menschen ihre Meinung viel zu wichtig, das ist auch ein Problem, das wir haben.
Sie haben eine Menge Lieder gesungen in 50 Jahren …
… und einige davon bei den Aufnahmen mit dem Royal Philharmonic Orchestra jetzt wieder vollkommen neu entdeckt, weil ich sie im Zusammenspiel neu interpretieren musste. Viele, die deutsche Musik nicht mögen, werden lachen, aber Lieder wie „Wie frei willst du sein“ oder „Dann geh doch“ haben richtig poetische Texte, haben echte Traumtexte.
Ich habe sie nicht geschrieben, deswegen darf ich das auch sagen. Was, glaube ich, auch viele Journalisten nicht verstehen, ist die Bedeutung, die diese Texte für Menschen haben können. Manchmal geht es um Leben und Tod. Menschen sind zu mir gekommen und haben gesagt: Ich weiß, dass ich in einem Jahr sterben muss. Und meine Lieder haben ihnen ein wenig Trost gespendet.
Spüren Sie eine Verpflichtung, wenn Sie auf der Bühne stehen?
Meine Beziehung zu meinem Publikum basiert auf Vertrauen, das ist mir sehr, sehr wichtig. Ich stehe hinter der Bühne und sage: Da draußen sind Menschen, die haben vor anderthalb Jahren viel Geld für eine Eintrittskarte ausgegeben, und jetzt bist du verpflichtet, zweieinhalb Stunden lang absolut konzentriert und ehrlich ein gutes Konzert zu geben.
Ich möchte mein Publikum niemals enttäuschen. Es ist dann ein Geschenk, auf der Bühne zu stehen und diese Wärme und Zuneigung zu spüren. Klingt alles ein bisschen schnulzig, tut mir leid. Aber ich glaube, das ist meine Rolle und das ist für die Menschen wichtig in dieser verrückten Welt.
Howard Carpendale „Die Show meines Lebens“: 10.11.2021, 20 Uhr, Barclaycard-Arena, ab 72,90 Euro