Totes Baby aus der Mülltonne: Mutter muss ins Gefängnis
Vieles ist in dem Prozess um den Tod eines Babys in Regensburg im Dunklen geblieben. Die Mutter, die die Leiche ihrer neugeborenen Tochter am ersten Weihnachtsfeiertag 2020 in eine Mülltonne gepackt hat, trug jedenfalls nichts Erhellendes bei. Sie schwieg. Ihre frühere Aussage, sie habe das Kind für tot gehalten, kaufte ihr die Strafkammer nicht ab.
„Wir glauben ihr nicht“, sagte der Vorsitzende Richter Michael Hammer, nachdem er die 25-Jährige zu einer dreijährigen Haftstrafe wegen fahrlässiger Tötung verurteilt hatte. Da nicht festzustellen war, wie das Mädchen starb, entging die Mutter einer härteren Strafe. In dubio pro reo (Im Zweifel für den Angeklagten).
„Fest steht: Hätte sie das Kind gewollt, dann würde es leben“, sagte der Vorsitzende Richter. Dann wäre die Frau zum Arzt oder in eine Krankenhaus gegangen oder hätte sich spätestens, nachdem sich in der Wohnung die Geburt abgezeichnet hatte, an ihre WG-Mitbewohner gewandt. All das habe die Frau nicht getan. Und das, obwohl sie bereits zuvor einmal ein Kind zur Welt gebracht hatte und dabei aufgrund von Komplikationen beinahe selbst gestorben sei.
Richter über die Angeklagte: „Wir wissen wenig“
Prozessbeobachter dürften ihrem Gefühl vertrauen, das Gericht müsse aber anderen darüber Rechenschaft ablegen, was man wirklich wisse und was nur Andeutungen seien oder was vielleicht naheliege, aber nicht beweisbar sei, sagte Hammer. „Was wissen wir? Wir wissen wenig.“
Kernproblem sei die Frage: „Können wir sicher ausschließen, dass die Angeklagte annahm, dass das Kind tot ist?“ Dies hatte die Frau nach der Entbindung angegeben. Allerdings habe sie verschiedenen Personen gegenüber unterschiedliche Dinge gesagt.
Das hatten auch Zeugenaussagen von Polizisten, Gynäkologinnen und Mitbewohnern der Frau deutlich gemacht: Mal wollte sie das Baby die Toilette hinuntergespült haben, dann hatte sie es in die Mülltonne gepackt; mal sprach sie von einer Totgeburt und mal davon, dass sie es für tot gehalten habe. Der psychiatrischen Gutachterin gegenüber behauptete sie kurz vor Prozessende gar, sie habe das Baby wiederzubeleben versucht.
Angeklagte war vor Gericht nicht glaubhaft
Hammer attestierte der Frau „mangelnde Wahrheitsliebe“ und schloss sich den Worten ihres Verteidigers an, der in seinem Plädoyer gesagt hatte: „Sie lügt, wann immer ihr es nützlich scheint.“ Die Frau greife zu dieser Strategie, so der Richter, weil sie keine anderen Strategien gelernt habe. Vor Gericht führe das dazu, dass sie als Person nicht glaubhaft sei. Jedoch hätten sich letzte Zweifel, ob die Frau das Neugeborene nicht doch fälschlicherweise für tot gehalten haben könnte, nicht sicher ausschließen lassen – deshalb eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und nicht wegen Totschlags.
Dass die Angeklagte keine Bewährungsstrafe erhalte, begründete der Richter unter anderem damit, dass die Frau über lange Zeit die Möglichkeit gehabt hätte, die Situation abzuwenden. Anders als beispielsweise bei einem Verkehrsunfall, wo es sich bei einer fahrlässigen Tötung um ein Augenblicksversagen handele.
Zwischenzeitlich habe die Frau sogar nachweislich mit dem Gedanken an Pflegefamilie und Babyklappe gespielt, sich aber entschieden, „die Dinge laufen zu lassen“. Statt sich spätestens Tage kurz vor der Geburt um Hilfe zu kümmern, habe sie geraucht und getrunken und über Tage hinweg „sehenden Auges ein Risiko geschaffen». Wie das Baby gestorben sei, ob die Frau aktiv nachgeholfen habe oder nicht, lasse sich nicht sagen. Sie habe das Kind jedenfalls im Müll „entsorgt“.
Das Gericht habe – wie der Staatsanwalt – Sorge, die Frau könnte eine solche Tat wieder begehen. Das würde eine längere Strafe allerdings auch nicht verhindern, sagte Hammer zum Strafmaß.
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Der Richter richtete zum Schluss deutliche, aber auch bewegende Worte an die 25-Jährige: Es gebe Angeklagte, die Reue und Selbsterkenntnis zeigten, bei denen man das Gefühl habe, sie seien auf dem richtigen Weg. „Das sehen wir bei Ihnen nicht.“ Weiter: „Ich weiß nicht, ob Sie gefühllos sind oder ob Sie Ihre Gefühle abspalten. Ein weiteres Opfer gibt es aber sicher, wenn Sie sich nicht ändern: Sie selbst. Sie sind viel zu jung, als dass Sie den Gedanken an ein glücklicheres Leben aufgeben sollten.“ Dafür brauche sie Hilfe, die kriege sie in der JVA. „Sie haben die Chance auf ein besseres Leben. Es liegt an Ihnen, ob Sie sie nutzen.“ (dpa/miri)