Umstrittenes Lager: Laschet besucht Geflüchtetencamps auf Lesbos – und muss abbrechen
Moria –
Irgendwie läuft’s nicht für Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU): Vor Kurzem noch Favorit auf die Merkel-Nachfolge als Kanzler, stolpert er seit geraumer Zeit von Fettnapf zu Fettnapf. Nun besuchte er Geflüchtetenlager auf der griechischen Insel Lesbos. Nicht alles lief nach Plan.
Zuerst sind es nur wenige Stimmen. Frauen aus Afrika rufen „Liberté Moria!“ („Freiheit Moria“). Dann versammeln sich Dutzende weitere Menschen und ein Chor schwillt an: „Free Moria!“ („Befreit Moria!“) tönt es immer lauter, als Laschet mit einer großen Delegation durch das überfüllte Flüchtlingscamp auf der griechischen Insel Lesbos geht.
Bewaffnete Polizeikräfte drängen die rufenden Menschen zurück. Die halten den NRW-Chef offenbar teils für den „Prime Minister of Germany“, wollen ihn auf ihre Lage aufmerksam machen. Kurze Absprachen mit den Sicherheitskräften werden getroffen, Laschet verlässt das Camp – zu gefährlich!
Laschets Beliebtheitswerte sind im Sinkflug
Dabei dürfte der CDU-Mann die Aktion eigentlich als PR-Coup geplant haben. Seine Beliebtheitswerte sind im Sinkflug, sogar Jens Spahn, der ja eigentlich nur als Vize des „Teams Laschet“ im Kampf um den Parteivorsitz antreten wollte, überflügelt ihn gerade. Vom Krisenmanagement des Landesfürsten in Sachen Corona-Pandemie und Tönnies-Ausbruch ganz zu schweigen.
Doch statt überzeugender Bilder eines hemdsärmelig zupackenden Kanzlerkandidaten gibt es gestern angespannte Mienen. Dabei dürfte eigentlich keinen überraschen, dass seit Monaten in einem Lager eingepferchte und unter schwierigen hygienischen Bedingungen lebende Menschen wenig Lust auf freundliche Kulissenbildung haben. Ähnlich fielen auch bei „Twitter“ die Kommentare aus: „Orte wie Moria, die für Politiker-Besuche zu unsicher sind, sind für Menschen keine Orte zum Leben. So einfach ist das“, schreibt etwa ein Nutzer.
Später wagt Laschet sich doch noch in den „Dschungel“
Später wagt sich Laschet dann doch noch „im kleineren Kreis“, wie es heißt, in das „Dschungel“ genannte äußere Lager. „Erbärmlich“ nennt er die Zustände dort später. Von einem „Aufschrei der Verzweifelten“ spricht er. Aber: „Ich glaube, das Signal ist angekommen. Europa muss sich dieser Aufgabe annehmen.“
Dass Laschets Besuch in Moria etwas ändert, bezweifeln allerdings selbst Experten: Dass sein Bundesland 220 Migranten aufnehmen wolle, bezeichnete Marco Sandrone, Projektkoordinator der Organisation Ärzte ohne Grenzen, im Gespräch mit Laschet zwar als „wunderbar“, dennoch seien das „lächerliche Zahlen“. „Nur nicht nach Moria, besser sterben“, hätten ihm Neuankömmlinge gesagt.
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Dennoch: Die Hoffnung stirbt wohl auch hier zuletzt. Als Laschet das Camp verlässt, gibt es Winken und Applaus. (mit dpa)