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„Uns regieren Attrappen“: Umweltschutz: Hannes Jaenicke rechnet mit Politikern ab

Hamburg –

Ob ZDF-Spielfilm, Tatort oder die Theaterbühne: Hannes Jaenicke (60) gehört zu einem der etabliertesten Schauspieler Deutschlands. Doch sein Herz schlägt schon lange für den Umweltschutz – und das sehr laut. Der gebürtige Frankfurter dreht seit Jahren für das ZDF eine Doku-Reihe über bedrohte Tierarten, engagiert sich für verschiedenste Umwelt-Projekte und schreibt Bücher. Alles, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen – und um andere zu inspirieren. Im MOPO-Interview sprach der überzeugte Veganer nun über sein Herzensthema – und nahm dabei vor allem in Richtung Politik kein Blatt vor den Mund.

MOPO: Herr Jaenicke, die meisten Menschen wissen mittlerweile, dass To-Go-Becher nicht gut sind und unsere Umwelt immer weiter vermüllt. Doch was hält die Menschen trotzdem noch ab, umweltgerecht zu leben?
Bei den Endverbrauchern ist es meist Bequemlichkeit und ein Informationsmangel, doch sie haben am Ende viel mehr Macht als sie glauben: Wenn niemand mehr Tönnies-Fleisch kaufen würde, würde das System sehr schnell umgebaut. Oft fragt man sich, was bringt das, wenn nur ich das mache? Aber es multipliziert sich so schnell – und das wird vergessen. Klimastudien haben ergeben: Wenn jeder Deutsche seine Elektrogeräte  ausschalten würde, anstatt es auf Standby zu stellen, würde ein ganzes AKW vom Netz gehen.

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Schauspieler Hannes Jaenicke in einer Szene aus „Der Amsterdam-Krimi: Tod im Hafenbecken“.

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Oder die Wassersprudler, zum Beispiel von SodaStream: Die sparen nicht nur Millionen von Plastikflaschen ein, sondern auch Schlepperei. Wir haben viel mehr Macht als wir denken – aber das hören Politik und Industrie nicht gerne. Und: Wir leben in einer perfekt organisierten Lobbykratie. Unternehmen wie Procter&Gamble, Henkel oder Nestle ändern ihre Geschäftspraktiken nur ungern und verhindern effiziente Umweltgesetze. Und das obwohl zum Beispiel Flaschen aus recyceltem Plastik oder erneuerbaren Rohstoffen oft nur minimal teurer in der Herstellung sind als herkömmliche Plastikflaschen. Trotzdem investieren die grossen Konsumgüterkonzerne so gut wie nichts in nachhaltige Verpackungsmaterialien

Vor zehn Jahren erschien Ihr Buch „Wut allein reicht nicht: Wie wir die Erde vor uns schützen können“. Wie steht es heute um Ihre Wut in Bezug auf unsere Erde?

Kurt Cobain hat einmal gesagt: „Anger is a blessing“ (dt. Wut ist ein Segen). Das finde ich einleuchtend. Ich glaube die meisten Menschen, die sich für etwas engagieren, machen das aus einer gewissen Wut heraus. Ich schüttele vor allem den Kopf über die Mächtigen auf dieser Welt. Allen voran Trump in den USA. Bolsonaro, Erdogan, Putin sind eine Katastrophe, genau wie Orban oder Kaczinksi.

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In seiner im Juni ausgestrahlten ZDF-Doku macht Umweltschützer Hannes Jaenicke auf die weltweite Bedrohung von Lachs aufmerksam.

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Aber auch unsere GroKo versagt beim Umweltschutz: Deutschland versiegelt pro Tag Grünflächen in der Grösse von 84 Fußballfeldern, um darauf zu bauen. Das sind 10 qm pro Sekunde! Wie lange machen wir das noch? Bis die ganze Republik zubetoniert ist, für irgendwelche Gewerbeparks? Dagegen wird nichts unternommen, kein Gesetz. Frau Klöckner verlängert Glyphosat und Kastenstand. Sie tut nichts gegen die Küken-Schredderei, Überdüngung oder Gülle-Flut. Da frage ich mich: Was sind das für Attrappen, die uns da regieren? 

Warum machen Sie trotzdem immer weiter? Was gibt Ihnen Kraft, immer weiter für den Planeten zu kämpfen?
Mittlerweile weiß jeder, dass die CO2-Werte und Temperaturen steigen, die Gletscher verschwinden: Alles deutet auf eine Katastrophe hin. Aber mich spornt vor allem an,  dass man die Menschen erreichen und etwas bewegen kann.

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Hannes Jaenicke nimmt in München an einer Demonstration vor dem Circus Krone gegen Tiere in Zirkusvorführungen teil. 

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Nach der Lachs-Doku kamen haufenweise Leute auf mich zu und sagten: Wegen Ihnen esse ich jetzt keinen Lachs mehr. Nach meiner Hai-Doku erfuhren wir vom KaDeWe in Berlin: Wir verkaufen keine Hai-Produkte mehr. Man kann echt viel bewegen, und ich wäre bescheuert, wenn ich damit aufhören würde. Auch in der Politik gibt es Menschen, die mir Hoffnung machen. Ich schätze Annalena Baerbock oder Katharina Schulze. Oder unseren Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller. Auch die SPD hat ein paar gute Leute, wie Außenminister Maas. Aber die meisten von ihnen sind erschreckend inkompetent. Allen voran Andreas Scheuer, Julia Klöckner oder Peter Altmaier. Aber wegen denen aufzugeben gilt nicht.  

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Hannes Jaenicke ist Markenbotschafter der Wassersprudler-Marke SodaStream. Und versucht damit mehr Menschen dazu zu bewegen, auf Plastikflaschen zu verzichten.

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Die Welt steckt immer noch inmitten der Corona-Pandemie. Was hat die Krise mit Ihnen gemacht?
Ich bin als Schauspieler jetzt zum ersten Mal richtig arbeitslos, was ich glücklicherweise eine Weile durchstehen kann. Ich habe Kollegen, die mich schon im März gebeten haben, ihnen Geld für die April-Miete zu leihen. Am faszinierendsten fand ich zu sehen, dass  die gesamte Wirtschaft kollabiert, wenn wir nur noch das Nötigste kaufen, was wir brauchen, also Lebensmittel. Unser ganzes System basiert also darauf, dass wir Quatsch kaufen, den wir nicht brauchen. Darüber sollten wir mal nachdenken. 

Leben Sie selber nur auf das Nötigste beschränkt?
Definitiv. Ich weiß nicht, warum man immer alles neu kaufen muss. 80 Prozent meiner Klamotten kaufe ich Second Hand. Meine Surfbretter, Kites, Kajaks, Motorradklamotten sind gebraucht. Bei meinen Unterhosen hört‘s auf – und bei Socken und T-Shirts. Die sind neu. Man kann ziemlich sparsam leben, ohne auf etwas verzichten zu müssen.  

Im Februar sind Sie 60 Jahre alt geworden. Haben Sie eine Art Lebensbilanz gezogen?
Für mich waren Geburtstage immer nur Zahlen. Ich war eine Woche zum Kitesurfen am Roten Meer bei Freunden – und habe über die 60 nicht groß nachgedacht. Das einzige was mir bewusst wurde war, dass ich 40 Jahre fast pausenlos durchgearbeitet habe. Daher versuche ich jetzt, ein bisschen langsamer zu machen. 

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Auch über Geparden drehte Jaenicke eine Doku für das ZDF. 

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Würden Sie sagen, dass Sie heute mehr Umweltschützer als Schauspieler sind?
Ich sage immer noch die Drehbücher zu, die ich für gut halte. Gelegentlich musste ich Filme absagen wegen der Dokus. Aber meistens konnte ich beides kombinieren. Mitte der Nullerjahre war ich ein bisschen Schauspiel-müde. Die Dokus haben mir aber den Spaß am Spielen wieder zurückgegeben.  

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Sie haben lange Zeit in Los Angeles gelebt, haben einen amerikanischen Pass. Mit welchen Gefühlen schauen Sie auf die US-Wahl? 
Ich bin kein frommer Mensch, aber in dieser Nacht werde ich beten. Donald Trump ist für die Welt gefährlich, und er zerstört die amerikanische Demokratie. Das ist der korrupteste, verlogenste und narzisstischste Charakter, der nebst Bolsonaro, Erdogan oder Putin durch die Weltpolitik tobt. Ich fliege am 1. November in die USA – nur um zu wählen.  Trump versucht ja gerade, sogar die Briefwahl zu sabotieren!  Zu dem Typen fällt mir echt nichts mehr ein.

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