Vor Bund-Länder-Gipfel: Corona-Chaos an den deutschen Schulen
Berlin –
Kaum eine Corona-Diskussion wird so heiß geführt wie die um Kitas und Schulen. Sind sie nun Pandemie-Treiber oder nicht? Wird das Lehrpersonal unnötig gefährdet? Und zu guter Letzt: Greifen die versprochenen Konzepte beim Testen und Impfen überhaupt schon oder waren die Öffnungen nicht doch ein wenig voreilig? Städtetag und Lehrerverband schlugen einen Tag vor dem heutigen Bund-Länder-Gipfel einhellig Alarm: An den Schulen herrsche Chaos.
Wie hält man eine Horde quicklebendiger Steppkes davon ab, sich gegenseitig anzustecken? In der Grund- und Mittelschule Kirchenlamitz im oberfränkischen Fichtelgebirge versuchen sie’s nun in einem Pilotprojekt mit einem 1,50 Meter langen „Abstandswauwau“, der den Lütten die Abstandsregel veranschaulichen soll. Gurgeltests zweimal die Woche sollen außerdem vor Ansteckung schützen. Die Schule liegt im Landkreis Wunsiedel im Norden Bayerns, nahe der tschechischen Grenze. Ein Corona-Sorgenkind mit einer Inzidenz von 225,7. Vor Kurzem lag sie sogar weit über 300.
Vielerorts fehlen die Tests noch immer
Damit folgt Kirchenlamitz dem Plan, wie er beim letzten Bund-Länder-Gipfel geschmiedet wurde: Schulen auch bei hoher Inzidenz öffnen, aber mit Testungen und idealerweise auch Impfungen der Lehrkräfte. Doch klappt das in der Praxis auch wirklich? Die Zweifel sind groß, vielerorts fehlen die Tests nämlich noch immer.
„Es kann doch nicht sein, dass eine Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin irgendwelche Festlegungen trifft, ohne vorher nach der Infrastruktur zu fragen“, sagte Bernhard Jung (SPD) mit Blick auf fehlende Corona-Tests. Der Bürgermeister von Leipzig und Chef des Städtetages warnt vor sinkender Akzeptanz der Maßnahmen bei all dem Chaos: „Ich habe wirklich die gesamte Entwicklung immer mitgetragen“, so Jung. „Aber wenn ich mir dieses Durcheinander anschaue, werde ich wütend.“
Lehrerverbands-Chef: Es muss geimpft und getestet werden
Ähnlich äußerte sich der Chef des Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, in der „BamS“: „Es gibt nur eine Möglichkeit, die Schulen auch in einer dritten Welle zu einigermaßen sicheren Orten zu machen: indem man die Lehrer impft und gleichzeitig mindestens zweimal in der Woche einen Schnelltest für alle Lehrer und Schüler durchführt.“ Allein: Daran hake es eben allerorten noch gewaltig. Die Leidtragenden, falls es erneut zum Lockdown kommt: die Schülerinnen und Schüler.
Seit Beginn der Pandemie seien 500 bis 600 Stunden Unterricht weggefallen, beklagte Meidinger. Selbst der beste Distanzunterricht habe nicht dieselbe Qualität wie Präsenzunterricht. „Langsam stellt sich die Frage, was dieses Schuljahr noch wert ist“, so der Lehrerverbandschef. Alle Schüler*innen hätten Lücken aufgebaut. Bei 20 Prozent seien sie so groß, dass sie gar nicht mehr begleitend aufgeholt werden könnten.
Hohe Inzidenzen in den Nachbarländern nach Schulöffnungen
Der Blick in Nachbarländer indes zeigt: Das Öffnen der Schulen ist ganz offenbar mit erheblichen Risiken verbunden. Der belgische Premierminister Alexander De Croo zog die geplanten Öffnungsschritte vergangenen Freitag in einer denkwürdigen Pressekonferenz zurück. Der Grund: Fast die Hälfte der Covid-Kranken in den Kliniken sei mittlerweile unter 48 Jahre alt. Und hätte sich hauptsächlich bei den eigenen Kindern angesteckt. Ähnlich sieht es in Österreich aus: Die Inzidenz bei den Fünf- bis 14-Jährigen liegt in Wien und dem Burgenland etwa bei 500. Seit den Schulöffnungen Anfang Februar stieg auch die Landes-Inzidenz dramatisch.
Bleiben Sie auf dem Laufenden: Der MOPO-Corona-Ticker
Doch wie geht es in Deutschland weiter? Der Entwurf des heutigen Bund-Länder-Gipfels, der der MOPO vorliegt, sieht die „Schließung bzw. keine Öffnung von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen” vor – „soweit ein zweimaliger Corona-Test pro Woche für Erziehungs- und Lehrkräfte sowie alle Schüler und betreuten Kinder in Präsenz nicht sichergestellt ist.” Bei Inzidenzen über 200 sollen Schulen und Kitas bedingungslos dicht gemacht werden. Bleibt abzuwarten, ob dies heute tatsächlich so beschlossen wird.