Miss Hamburg übers Dicksein: Darum hat Selbstliebe nichts mit der Konfektion zu tun
Anfeindungen, Beschimpfungen und Hass – all das musste die amtierende Miss Hamburg, Julia Kremer (31) aufgrund ihres Körpers schon in ihrer Kindheit erfahren. Mit viel innerer Arbeit und therapeutischer Unterstützung konnte sie sich jedoch von dem Trauma befreien. Heute geht Kremer in Sachen „Body Positivity“ voran, setzt sich als Aktivistin, Bloggerin und Plus-Size-Model für die Akzeptanz aller Körperformen ein. Wir haben mit ihr in unserer aktuellen Podcast-Folge von „FrauFM – laut und weiblich“ über die alltägliche Diskriminierung von dicken Menschen gesprochen und geklärt, warum wir das Wort „dick“ neu bewerten müssen.
„Mir geht es darum, dass die Diskriminierung sichtbar wird“, sagt Kremer. Und diese Diskriminierung findet auf verschiedensten Ebenen statt. Wir leben in einer Welt, in der uns durch ein gesellschaftlich geprägtes Bild beigebracht wurde: „Nur schlank sein ist schön und dazwischen gibt es nichts“, so Kremer.
Miss Hamburg: Sie kämpft seit acht Jahren für Akzeptanz von dicken Menschen
Wer dieser Norm nicht entspricht „bekommt hier einen Hinweis ‚Nimm mal ab‘ oder hier einen Diätvorschlag“. Weiter sagt die Aktivistin: „Beim Arzt wirst du nicht richtig gesehen und wahrgenommen, weil er dich sofort in einen Topf steckt und alle Beschwerden auf das Gewicht zurückführt“. Außerdem: „Du bekommst nicht so gute Jobs und musst immer härter dafür kämpfen.“
Seit acht Jahren kämpft die Hamburgerin jetzt mit ihrem Blog „SchönWild“ und Social Media Kampagnen wie „Respect my Size“ (dt.: Respektiere meine Kleidergröße) für Akzeptanz und will ein positives Körpergefühl vermitteln.
Julia Kremer als Vorbild – dicke Frauen müssen sichtbarer werden
Sie ist mittlerweile ein Vorbild für Frauen geworden, die sich selbst nicht gerne im Spiegel betrachten. Auf Instagram hat sie knapp 90 000 Follower, denen sie mit ihren Posts, Aktionen und Videos einen Weg hin zu mehr Selbstliebe und -sicherheit zeigt. Kremers Wahl zur Miss Hamburg ist nun ein weiteres, wichtiges Signal, dicke Frauen sichtbarer zu machen.
Noch eine Folge „FrauFM – laut und weiblich“ finden Sie hier:Diese Single-Frau macht´s vor – Mama werden geht auch ohne Mann
Doch bis aufs Miss-Treppchen war es ein weiter Weg, wie Kremer im Podcast erzählt. Als Kind hat sie sich für ihren Körper geschämt und sich wie „getrennt vom eigenen Körper“ gefühlt. Sich Hilfe bei Therapeuten zu holen war für sie selbstverständlich: „Wenn man einen Knochenbruch hat, geht man auch zum Arzt“, so Kremer.
Miss Hamburg: „Heute sage ich über mich selber, dass ich dick bin“
„Heute sage ich über mich selber, dass ich dick bin“. Das Wort „dick“ werde, ihrer Meinung nach, noch viel zu häufig als Schimpfwort verwendet. Kremer findet: Es sollte genauso verwendet werden, wie groß, klein oder schlank – also einfach zur Beschreibung der Körperform.
Der 31-Jährigen ist es wichtig, für mehr Verständnis zu sensibilisieren: Denn hinter der dicken Fassade eines Menschen steht häufig ein Trauma. Und ohne dieses zu überwinden, ist an Selbstliebe, und -akzeptanz oder gar eine Abnahme meist nicht zu denken.
Hamburg: Diskriminierung tut weh
Mittlerweile gibt es bei ihr selbst kaum noch Momente, in denen sie mit ihrem Körper unzufrieden ist: „Ich habe gelernt, dankbar dafür zu sein, einen Körper zu haben, der mich durch mein Leben trägt.“ Mit ihrem eigenen Selbstbewusstsein stellt sie sich vor alle dicken Frauen, um stellvertretend für sie zu sprechen – und ihnen zu zeigen: Da könnt ihr auch hinkommen. Denn: Diskriminierung tut richtig weh, aber es lohnt sich, diesen Schmerz zu überwinden – und zu seiner eigenen Stärke zu finden.
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