• Die Nase ist ein unterschätztes Organ. (Symbolbild)
  • Foto: Alexander Heinl/dpa

Angst, Veganer, Geschlecht: Unglaublich, was unsere Nase alles er-riechen kann

Düsseldorf –

Warum kuscheln wir uns ins T-Shirt unseres Partners, wenn der nicht zu Hause ist? Warum lehnen wir manche Menschen instinktiv ab, obwohl sie uns freundlich anlächeln? Warum können wir das eigene Parfüm nach einer gewissen Zeit nicht mehr an uns selbst riechen?

Bettina M. Pause (54), Professorin für Biologische Psychologie und Sozialpsychologie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf kennt die Antworten. In unserem Leben ist „Alles Geruchssache“ – so lautet auch der Titel ihres Buches, das gerade erschienen ist.

Die Nase ist ein besonders wichtiges Sinnesorgan

Augenlicht, Gehör, Geruchssinn. Wenn man die Menschen vor die Wahl stellen würde, worauf sie als erstes verzichten könnten, entschieden sich sicherlich die meisten fürs Riechen. Schon Aristoteles und Platon rümpften beim Thema Geruchssinn verächtlich die Nase.

Bettina M. Pause

Professorin Bettina M. Pause (54), forscht an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.

Foto:

Bettina M. Pause

„Ein großer Fehler“, sagt Bettina M. Pause. „Forschungen belegen, dass wir fühlen, uns erinnern, weil wir riechen können. Über den Geruchssinn tauschen wir – zu 99 Prozent unbewusst – zahlreiche Informationen aus.

Die Nase erkennt nicht nur, ob unser Gegenüber weiblich oder männlich ist, sondern auch Dinge, die man nie vermuten würde: Ob er oder sie sich vegan ernährt, ob er oder sie krank ist, einsam oder gestresst.“

Expertin: „Wir können eine Billion Gerüche unterscheiden“

Die Nase kann, wenn man sich im richtigen Moment trifft, die Hormone Tango tanzen lassen oder dafür sorgen, dass man Freunde fürs Leben findet. „Wir können eine Billion Gerüche unterscheiden, aber nur fünf Millionen Farben.“

Neueste Forschungen an Affen, Mäusen, Ratten, Seeottern oder Kaninchen würden sogar belegen, dass der Mensch im Vergleich zu Tieren – mit Ausnahme des Hundes – besser Gerüche in niedrigeren Konzentrationen erkennen kann.

Das Fazit der Expertin lautet: „Wir sollten im Alltag öfter unserer Nase vertrauen.“ Denn diese steuert oft dieses Bauchgefühl, von dem wir gern reden. Die Geruchspsychologin beschäftigt sich vor allem mit dem Thema, wie stark der Geruch unser Sozialverhalten bestimmt, denn „das ist der Schlüssel zum Glück“. Da lohnt es sich doch mal, die Nase in Forschungsergebnisse zu stecken!

Warum rieche ich mein Parfüm bloß nicht mehr?

Bei Gerüchen muss man unterscheiden, sagt Bettina M. Pause.

„Es gibt Ekelgerüche von Dingen, die uns krank machen – wie verdorbene Lebensmittel. Der Ekel ist uns angeboren. Es gibt aber auch biologisch nicht bedeutsame Gerüche wie den der eigenen Wohnung oder des eigenen Parfüms, die wir irgendwann nicht mehr wahrnehmen, weil unser Gehirn uns signalisiert: Das ist da, Du kannst entspannen. Die Sinneszellen reagieren darauf nicht mehr, machen den Weg frei für neue Gerüche, die mehr Infos bringen.“

Parfum wird gesprüht

Das wir unser Parfum nach einer Zeit nicht mehr selber riechen hat einen wichtigen Grund. (Symbolbild)

Foto:

Bernd Thissen/dpa

Schlaues Näschen?

Nervenzellen können sich auch in anderen Bahnen neu vernetzen, sagt die Geruchspsychologin. „Aber wirklich erneuern können sie sich nur, wenn sie zur Geruchsverarbeitung gehören.“ Gerüche sind also eine Art Tuning fürs Gehirn. Im Alter lasse die Riechfähigkeit oft nach.

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Weil Menschen dann auch schlecht schmecken, essen viele Hochbetagte oft wenig und magern ab. Prof. Pause: „Es gibt Geh- und Hörhilfen, aber keine Geruchshilfe.“ Deshalb rät sie sowohl Gesunden als auch Alten und Kranken, die Zellen mit Geruchstraining auf Trab zu
halten.

Machen Pheromone mich sexy?

Für das Hirn zählt Parfüm tatsächlich zu den eher unbedeutenden Gerüchen, um einen Menschen einzuschätzen. Die natürlichen Gerüche von Geschlecht, Alter, Gesundheit seien wichtiger, meint die Expertin.

Und Pheromone, die uns angeblich so sexy machen? Die hält die Professorin für überbewertet: „Dass das aufgrund eines einzelnen Moleküls funktionieren soll, halte ich für extrem unwahrscheinlich.“

Kann man Angst wirklich riechen?

Unsere Gehirnareale reagieren unterbewusst auf Angst, selbst wenn dem Gegenüber der Angstschweiß nicht aus allen Poren trieft. Angst sei über den geruchlichen Weg sogar ansteckend, belegt eine Studie, mit der Bettina Pause vor zehn Jahren für Aufsehen sorgte.

Sie ließ nervöse Studenten vor Prüfungen Wattepads unter die Achselhöhlen klemmen und Probanden anschließend daran riechen, ohne dass sie wussten, worum es geht.

Das Resultat: Die Personen empfanden prompt ebenso viel Stress wie die Prüfungskandidaten. Und es stellte sich außerdem ein Mitleidsgefühl ein.

Riechen Hunde, wer sich vor ihnen fürchtet?

Menschen, die Angst vor Hunden haben, behaupten ja gern, Hunde könnten das riechen und würden bewusst auf sie zukommen. „Diese These gibt es schon lange, aber erst seit einem Jahr gibt es dazu eine Studie aus Portugal. Und die belegt: Ja, das ist tatsächlich so. Hunde riechen Angst.“

Hund hält Schnauze in die Kamera

Hunde sind für ihren besonders guten Geruchssinn bekannt. (Symboldbild)

Foto:

picture alliance / dpa

Aber ihr Verhalten sei dann anders als erwartet. Die Angst übertrage sich zwar auf die Tiere, doch sie würden dann nicht auf den ängstlichen Hundemenschen zugehen, sondern Schutz bei Herrchen oder Frauchen suchen“, so die Psychologin.

Riechen wir, wer gut zu uns passt?

Jeder Mensch riecht anders, aber unsere besten Freunde scheinen ein ähnliches Näschen zu haben wie wir. Prof. Pause sagt: „Freunde sind ja nicht genetisch verwandt mit uns. In einer Studie hat man aber festgestellt, dass das Genom von Freunden ähnlicher ist als erwartet. Und das liegt an den Geruchszellen. Freunde riechen Dinge ähnlich. Nur ein Beispiel: Gerüche sind eine Mischung aus Molekülen. Sagen wir mal, ein Kaffeearoma hat 800 Moleküle, die nimmt jeder Mensch unterschiedlich wahrnimmt – Freunde hingegen sehr ähnlich.“

Gibt es wirklich einen „Stallgeruch“?

Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass Neugeborene sich stark an der Mutter orientieren, entspannen und ruhig werden, wenn sie ihren Geruch wahrnehmen, so Prof. Pause. Ein
Forscherteam in Frankreich hat herausgefunden: Babys lernen noch im Uterus, was die Mutter gerne esse und würden später schon allein auf den Geruch positiv reagieren.

In der Studie funktionierte das wunderbar mit Anis. Andere Studien belegen, dass selbst Fremde in der Lage sind, T-Shirts allein am Geruch einer Familie zuzuordnen. Bei Liebespaaren gebe es einen ähnlichen Effekt.

Riechen Veganer besser als Fleischesser?

„In meinen Forschungen beschäftige ich mich ja vor allem mit dem Phänomen Einsamkeit und Angststörungen“, sagt die Expertin. „Es gibt erste Hinweise, dass Menschen besser riechen und über den Geruch – natürlich unbewusst – wahrgenommen werden, je größer das soziale Netzwerk ist und je empathischer sie sind.“

Studien belegen zudem, dass der Geruch von Veganern als attraktiver und angenehmer wahrgenommen wird als der von Menschen, die regelmäßig rotes Fleisch essen.

Rieche ich, wenn es der Richtige ist?

„Anders als bei Freunden suchen wir bei der Partnerwahl einen gegensätzlichen Genpool“, weiß die Expertin. Im Sinne der Evolution ist es sinnvoll, dass Menschen mit unterschiedlichen Abwehrsystemen Nachkommen zeugen, um gegen Infektionen gewappnet zu sein.

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Prof. Pause kennt mehrere Studien, in denen man Probanden den Körpergeruch von unterschiedlichen Menschen vorgelegt habe. Stark ablehnend haben die Testpersonen immer dann reagiert, wenn sie den Geruch von Menschen vorgesetzt bekamen, die ihnen genetisch sehr ähnlich waren.

Heißt also: Ich rieche eher, wer nicht passt! Und der – oder diejenige ist dann nicht der/die Richtige für uns.

An der Nase des Mannes…?

Jede Wette, mit der Volksweisheit „an der Nase eines Mannes erkennt man seinen Johannes“ ist Mehmet Özyürek bestimmt schon häufig konfrontiert worden. Er hat mit 8,8 Zentimetern laut „Guinnessbuch der Rekorde“ die längste Nase der Welt. Ein ganz schön kräftiger Zinken, gebogen wie der Schnabel eines Adlers.

Aber ob ihn das das auch zu einem großartigen Liebhaber macht? Der Gentleman genießt und schweigt zu diesem Thema, logo. Frank Sommer von der Uni Hamburg, Professor für Männergesundheit, erklärt indes: „Es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen Nasenform und Penislänge.“

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Auch Corona geht durch die Nase

Das Virus, das die Welt in Atem hält, überträgt sich via Tröpfchen, die beim Niesen, Husten und Sprechen ausgestoßen werden. Diese Tröpfchen können über die Nase in den Körper gelangen. Das Virus macht dort erstmal weniger Probleme.

Im Gegensatz zur Grippe oder Erkältungserkrankungen, die ja häufig mit einem kräftigen Schnupfen einhergehen, betrifft das SARS-CoV-2-Virus häufiger die unteren Atemwege. Daher tritt das typische Erkältungssymptom Schnupfen nach bisherigen Berichten seltener auf.

Interessant ist allerdings, dass viele Betroffene darüber klagen, dass sie einen eingeschränkten Geruchssinn haben, wenn das Virus sie befallen hat. Doch keine Angst: Der kommt meist nach wenigen Tagen zurück!

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