Impfstoff, Kurve, Großeltern: So erklärt man die Corona-Maßnahmen für Kinder richtig
Köln –
„Wie lange dauert es noooooch?“ Diese Frage hören wir nicht selten von Kindern. Meist ging es dabei bislang um die Zeit, bis das Essen fertig oder das Ziel einer langen Autofahrt erreicht ist. Heute hingegen steckt dahintermeist das Coronavirus – und die damit verbundenen Fragen, wann die Schule wieder anfängt, wann die Freunde wieder getroffen und Oma und Opa wieder in den Arm genommen werden können. Und prompt fällt die Antwort auf diese drängende Frage ungleich schwerer. Weil man selbst nicht weiß, welche Autobahnausfahrt man zum Ziel nehmen wird. Weil wir uns selbst fragen: Wie lange dauert es denn eigentlich noch?
Nur wenige Menschen haben bereits Antikörper gegen das Coronavirus
Einige Antworten aber können den Kindern gegeben werden – etwa was Lücken zwischen all den Informationen betrifft, die tagtäglich auf sie einprasseln. Weil sie nur mit halben Ohr gehört oder aber auch nicht richtig zugeordnet werden können. Denn wie erklärt man zum Beispiel einem Kind, warum gerade das Coronavirus jetzt so eine besondere Herausforderung darstellt? Sogar in einem Gesundheitssystem, das hierzulande als eines der besten gilt?
Thomas Preis ist Apotheker in Köln und Chef des Apothekerverbandes Nordrhein. Und weiß die Lage deshalb einzuschätzen. „Das Coronavirus ist so besonders, weil es ein ganz neues Virus ist. Im Laufe unseres Lebens bilden wir Menschen nach und nach Antikörper gegen viele nicht so gefährliche Viren – immer dann, wenn wir Kontakt mit ihnen hatten. Danach können uns die Antikörper davor beschützen, nochmal krank zu werden“, sagt Preis. Das ist auch der Grund, warum Erwachsene nicht mehr so oft krank werden, wie Kinder – weil sie im Laufe ihres Lebens schon viel mehr Antikörper bilden konnten.
Kinder müssen auf Erwachsene und Großeltern aufpassen
Und dennoch ist es bei diesem Virus bekanntermaßen umgedreht: Nicht Kinder sind die Risikogruppe, sondern vor allem ältere Menschen. Trotzdem dürfen auch Kinder ihre Freunde nicht treffen, müssen genauso zu Hause bleiben, wie Eltern und Großeltern auch. Das fällt schwer zu verstehen – und muss geduldig erklärt werden. Denn: Würden Kinder weiter zur Kita und Schule gehen und sich dort gegenseitig anstecken, könnten sie womöglich auch ihre Eltern und Großeltern inifizieren – eine Kettenreaktion.
Also: „Machen wir eine richtige Vollbremsung. Alle bleiben zu Hause. Dann bleiben auch die Familien gesund“, sagt Apotheker Thomas Preis. Hier könne man vor allem auch auf die Verantwortung der Kinder appellieren – in der jetzigen Situation ist jeder einzelne wichtig, der zu Hause bleibt und damit die Kurve abflachen lässt. Und: Jedes Kind kann zum Beispiel dabei mithelfen, dass in den Supermärkten weniger Menschen unterwegs sind und so weniger Ansteckungsgefahr herrscht. Indem es vielleicht eine halbe Stunde zu Hause bleibt und sich mit sich selbst beschäftigt, während Mutter oder Vater unterwegs sind. Oder indem ein Gang für Oma zum Bäcker erledigt wird – selbstverständlich ohne persönlichen Kontakt und mit Abgeben der Einkaufstüte an Omas Türklinke.
Was hat das Coronavirus mit einer mathematischen Kurve zu tun?
Apropos Kurve: Was heißt das denn eigentlich, dieses „Flatten The Curve“? Und wie verknüpft man ein Virus kindgerecht mit einer Kurve? Gemeint ist damit die Anzahl jener Menschen, die sich bereits mit dem Coronavirus infiziert haben – werden es mehr, geht die Kurve, eine mathematische Form, in die Höhe, werden es weniger, flacht sie ab. Letzteres ist so wichtig, weil es gar nicht genug Betten und Pfleger für all die Patienten gäbe, die ohne politische Maßnahmen gleichzeitig krank werden würden. „Das wäre ungefähr so, als wenn plötzlich alle Kölner Schulen gleichzeitig Schwimmunterricht hätten – das geht natürlich nicht. Es kann immer nur eine Klasse gleichzeitig ins Becken, damit alle in Ruhe ihre Bahnen schwimmen und die Lehrer auf alle achtgeben können“, sagt Thomas Preis.
Und was hat es nun mit dem Coronavirus zu tun, wenn ich im Supermarkt in der Nase popele? Abgesehen davon, dass es auch ohne Corona-Krise kein schöner Anblick ist, servieren sich die Kinder dem Coronavirus so auf dem sprichwörtlichen Silbertablett. Deswegen: „Niemals mit ungewaschenen Händen ins Gesicht fassen! Die Schleimhäute von Mund, Nase und Augen sind die wichtigsten Eintrittspforten für das Virus“, sagt Preis. Waschen sollte man mit viel Seife und lang genug. Und das kann sogar Kindern Spaß machen. Indem so lange gewaschen wird, wie es dauert, zwei Mal „Happy Birthday“ zu singen. Für Gläubige könnte zum Beispiel auch das „Vater unser“ eine Option sein.
Ein Medikament wird früher erwartet als ein Impfstoff
Naja, und immer noch nicht abschließend geklärt: Wie lange dauert es denn jetzt noch? Einen Impfstoff gibt es leider noch nicht. „Ein Zelt oder ein Planschbecken kann ich schnell im Garten aufbauen. Aber einen Impfstoff zu entwickeln, das ist ungefähr so aufwendig, wie ein Hochhaus zu bauen“, sagt Apotheker Preis. Vielleicht wird es nach dem Sommer ein Medikament geben. Einen Impfstoff aber wahrscheinlich erst im kommenden Jahr.
Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass ein Medikament den Zustand von bereits erkrankten Menschen wesentlich verbessern könnte – ein Impfstoff jedoch wird erst dann verabreicht, wenn er einhundertprozentig sicher und geprüft ist. Um Gesunde nicht möglicherweise noch krank zu machen. Ein Medikament-Hochhaus hat in dieser Hinsicht also vielleicht ein Stockwerk weniger. Und bis dahin: Helfen Kinder und Erwachsene so gut sie können, damit Forscher und Experten dieses Gebäude störungsfrei bauen und schultern können.