• In den Knien darf es auch mal schmerzfrei knacken und knirschen. Das ist okay.
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Experte im Interview: Im Knie darf es auch mal knacken

Nach „Ich habe Rücken“ ist wohl „Meine Knie schmerzen“ der meistgehörte Satz in der Orthopädie. Ob wir wollen oder nicht – auch unsere Gelenke kommen in die Jahre. So manche Hüfte und vor allem manches Knie ist dem Verschleiß ausgesetzt. Muss es denn immer gleich sofort ein neues Knie-Gelenk sein? Der Ärztliche Direktor der ENDO-Klinik in Hamburg, Dr. Thorsten Gehrke, sagt nein. Eine OP steht ganz am Ende der Behandlung.

MOPO: Kann heutzutage eigentlich jedes Gelenk ausgetauscht werden?

Dr. Thorsten Gehrke: Ja, tatsächlich können wir den allergrößten Teil unserer Gelenke austauschen – selbst die Fingergelenke. Und zwar mit großem Erfolg. Das war am Anfang der Endo-Prothetik nicht immer so. In den 70/80er Jahren wurde aber auch noch viel experimentiert. Prof. Buchholz, der Gründer der ENDO-Klinik, war einer der Ersten, die künstliche Hüft- und Kniegelenke operiert haben. Damals noch in St. Georg.

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Dr. Thorsten Gehrke, Ärzt­li­cher Direktor der ENDO-Kli­nik, erklärt MOPO-Re­dak­teur Stefan Fuhr die ver­schie­de­nen künst­li­chen Gelenke.
Foto: Sven Brügmann/Endo-Klinik/hfr

Schauen wir mal auf unsere Knie. Was macht dieses Gelenk so besonders?

Das Kniegelenk ist eines der kompliziertesten und komplexesten Gelenke des Körpers. Es setzt sich nicht wie das Hüftgelenk aus einer Kugel und einer Pfanne zusammen, sondern ist ein Konstrukt aus vier Knochen, die alle gut ausbalanciert werden müssen. Und es ist bandgeführt. Das Kniegelenk hat wenig knöcherne Führung, sondern ein sehr komplexes Gebilde aus Bandstrukturen, Muskeln, Sehnen, Kapselstrukturen und Menisken machen den Bewegungsablauf des Kniegelenks erst möglich.

Was sind die größten Schwachstellen des Knies? Sind das die Bänder?

Ja, die Bänder und die Menisken. Wichtig sind stabile Bänder. Denn wenn auch nur eines davon nicht mehr vernünftig funktioniert oder verletzt ist, dann wird das Knie wackelig. Und dann verschleißt es schneller und wir brauchen schon mit 40 oder 50 Jahren ein künstliches Gelenk.

Und die Menisken?

Das ist eine besondere Struktur. Menisken sind halbmondförmige Scheiben zwischen Ober- und Unterschenkelknochen, die dafür sorgen, dass das Gelenk in jeder Stellung – egal wie man es beugt – gleichmäßig belastet wird. Wenn wir das Knie sehr stark beugen, dann wandern die Menisken nach hinten und stabilisieren das Gelenk. Das ist eine wunderbare Struktur aus extrem hochwertigem Gewebe, aber leider auch sehr anfällig. Man kann schon sagen, dass der Innenmeniskus eine der am häufigsten verletzten Strukturen des Knies ist.

Wenn man sich das Knie verdreht?

Ja, denn diese transportablen Gelenkflächen sind bei bestimmten Bewegungen einfach überfordert. Ein Beispiel vom Fußball: Der Fuß ist durch die Stollen fest im Rasen verankert und man bekommt einen Tritt oder macht eine Drehbewegung. Schon reißt der Meniskus. Oder beim Skifahren. Dadurch, dass der Fuß fest im Skischuh steckt, wird das Knie schnell verdreht, wenn die Skier z. B. im Matsch hängen bleiben. Leider reißt dann nicht nur der Meniskus, sondern oft auch das vordere Kreuzband mit.

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Dann muss operiert werden?

Sind die Bänder nicht mehr stabil, sollte man etwas tun. Ich sagte ja bereits, ein wackeliges Knie verschleißt schneller. Bei Menisken ist es heute anders. Früher wurde ein gerissener Meniskus komplett entfernt. Aber er dient auch als Stoßdämpfer, wenn wir laufen oder springen. Ist der Meniskus nicht mehr da, kommt es wieder zu verfrühtem Verschleiß. Heute versuchen wir, den Meniskus zu erhalten.

Schadet wenig Bewegung dem Knie?

Wenn man den ganzen Tag nur am Schreibtisch sitzt oder auf der Couch liegt und Netflix guckt, passiert dem Knie gar nichts. Aber: Wenn Sie plötzlich sportliche Ambitionen hegen und das Knie durch kräftige Bänder oder eine gute Muskulatur nicht vorbereitet ist, dann kommt es ganz schnell zu Schädigung.

Aber auch Leistungssportler verletzen sich …

Bei Leistungssportlern ist die Überbelastung das Thema. Sie bewegen sich häufig in einem Bereich, in dem Kräfte auf die Gelenke einwirken, für das diese nicht gebaut sind. Es gibt z. B. Kreuzbandrisse bei Profi-Skifahren – gerade im Riesenslalom – die stürzen nicht einmal, sondern reißen sich durch die enormen Fliehkräfte die Bänder.

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Ein Modell eines künst­li­chen Knie­ge­lenks.
Foto: imago/Jochen Tack

Muskelaufbautraining im Fitnessstudio ist also zu empfehlen?

Unbedingt. Aber das Knie lebt auch von der muskulären Balance. Die Muskeln müssen nicht nur gut trainiert werden, sondern sie müssen auch gut zusammenarbeiten. Also nicht nur eine Muskelgruppe am Knie trainieren, sondern alle. Das gilt übrigens für alle Muskeln. Der wesentliche Stabilisator z. B. für Ihren Rücken ist gar nicht so sehr die Rückenmuskulatur, sondern gute Bauchmuskeln.

Ich habe gelesen, dass Yoga gefährlich für die Knie sein kann.

Gefährlich finde ich bisschen übertrieben. Aber es gibt beim Yoga Positionen, bei denen die Knie sehr stark gebeugt werden. Das mögen die aber gar nicht so gerne. Wer also nur selten einen Yoga-Kurs besucht, kann durchaus gefährdet sein. Trainierte Yoga-Sportler haben sich über eine sehr sanfte und kontinuierliche Dehnung eine Kniebeweglichkeit erarbeitet, die dann nicht mehr schädlich ist.

Was ist eigentlich Arthrose?

Arthrose heißt eigentlich nichts anderes als Gelenkverschleiß. Aber gar nicht so sehr des Knochens, sondern des Knorpels. Der Knorpel ist die schützende Schicht über den Knochen, der uns überhaupt erst erlaubt, Gelenke schmerzfrei zu bewegen. Verliert der Knorpel seine Elastizität, so wird er Stück für Stück abgehobelt und wir verlieren unsere Schutzschicht. Das Bewegen der Gelenke wird immer schmerzhafter.

Und dann muss operiert werden?

Sie müssen sich die Arthrosebehandlung vorstellen wie eine Treppe mit mehreren Stufen. Am Anfang reicht vielleicht ab und zu eine Schmerztablette. Wenn die Schmerzen intensiver werden, dann kann Physiotherapie helfen, und Sie sind Monate oder auch Jahre relativ schmerzfrei. Wenn auch die Krankengymnastik nicht mehr hilft, dann kann man Gelenke durchspülen oder bestimmte Mittel ins Gelenk spritzen. Wenn alles nichts mehr nützt, dann frage ich jeden meiner Patienten, wie es mit ihrer Lebensqualität aussieht. Und wenn die Patienten sagen, dass der Schmerz sie extrem beeinträchtigt, dann entscheiden wir uns für eine Operation.

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Ist die OP schon reine Routine geworden?

Die reine OP dauert so zwischen 45 und 90 Minuten. Seit Gründung der ENDO-Klinik haben wir ca. 170 000 Gelenke ausgetauscht – man kann also sagen, dass wir schon absolute Fachleute auf unserem Gebiet sind. Aber natürlich kann es wie bei jeder Operation zu Komplikationen kommen.

Welche können das sein?

Die am schwersten wiegende Komplikation ist eine Infektion. Das betrifft im Übrigen nicht nur das Knie, sondern alle künstlichen Gelenke. Bakterien bilden einen Schleim, der sie vor Antibiotika schützt. Wenn ein Gelenk infiziert ist, haben wir also nur eine Chance: Wir müssen es wieder herausnehmen und ein neues künstliches Gelenk einsetzen.

Sie sind auch darauf spezialisiert?

Ich gehe sogar so weit und behaupte, dass die ENDO-Klinik weltweit die Nummer eins ist, was den Austausch von bakteriell entzündeten künstlichen Gelenken angeht. Wir haben eine fast 45-jährige Historie in der Behandlung dieser Infektionen.

Man hat den Eindruck, man wacht aus der Narkose auf, und der Erste, der einen ansieht, ist der Physiotherapeut.

Genau so ist es. Im Schnitt liegt der Patient fünf Tage im Krankenhaus und geht anschließend in die Reha. Aber schon am Operationstag wird mobilisiert, sodass er nach wenigen Tagen schon an Stützen über den Flur laufen kann.

Kann man vor der OP selbst etwas tun, um schneller wieder auf die Beine zu kommen?

Ja, solche Programme bieten wir an. Also Prä-Rehabilitation. Es klingt banal. Wer muskulär gut in die Operation hineingeht, kommt auch sehr schnell und gut wieder heraus. Mein Rat: Halten Sie Ihre Muskulatur, solange es geht, in Schuss z. B. durch Fahrradfahren.

Ist es schon ein Alarmsignal, wenn es im Knie knackt oder knirscht?

In der Orthopädie gilt grundsätzlich, solange dieses Knacken oder die Geräusche schmerzfrei sind, ist alles okay. Kommen Schmerzen dazu, sollte man nachschauen.

Dieses Interview mit Dr. Torsten Gehrke ist ein Auszug aus unserem Gesundheits-Podcast „Butter bei die Nierchen“. Den Podcast können Sie bei Ihrem Podcast-Anbieter wie zum Beispiel bei Spotify oder Apple Podcast abonnieren und verpassen so keine Folge. Oder Sie klicken einfach unten auf den Player.

Im Podcast „Butter bei die Nierchen!“ sprechen wir regelmäßig mit Ärztinnen und Ärzten aus unterschiedlichen Fachbereichen darüber, wie Sie gesund bleiben oder gesund werden.

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