Podcast: Darm-Experte im Interview: Dieser Krebs kann verhindert werden
50 000 Liter Flüssigkeit und 30 Tonnen Nahrung verarbeitet der Darm im Laufe eines Lebens durchschnittlich. Der Verdauungstrakt ist eine wahre Hochleistungsmaschine, die ihre Arbeit meistens ohne Probleme macht. Was aber tun, wenn es mal nicht so richtig rund läuft? Oder wenn man richtig krank wird? Pro Jahr gibt es etwa 20 000 Todesfälle in Folge von Darmkrebs. Dabei ist gerade dieser Krebs verhinderbar, sagt Prof. Dr. Jürgen Pohl, Chefarzt der Gastroenterologie an der Asklepios Klinik Altona. Er gibt uns einen Überblick über Darmgesundheit.
MOPO: Was macht eigentlich ein Gastroenterologe?
Prof. Jürgen Pohl: Der Name übersetzt sich aus Gastro – der Magen – und Entero – der Darm. Also eigentlich sind wir Magen-Darm-Ärzte. Aber wir beschäftigen uns mit allen Organen, die an der Verdauung beteiligt sind. Dazu gehören Speiseröhre, Leber, Galle und auch die Bauspeicheldrüse. Der gesamte Verdauungstrakt vom Mund bis zum Anus ist circa sieben Meter lang. Vom Mund geht es durch die Speiseröhre in den Magen. Von dort in den Zwölffingerdarm, der schon ein Teil des Dünndarms ist. Nach fünf Metern Dünndarm kommt der Dickdarm. Auf diesem gesamten Weg wird die Nahrung verarbeitet.
Wir wollen uns heute mit dem Darm beschäftigen. Welche Aufgabe hat der Darm bei der Verdauung?
Der Darm übernimmt die Aufgabe des Transports und der Zerkleinerung der Nahrung. Alleine der Dünndarm hat durch viele Falten und Zotten eine Oberfläche von der Größe eines Fußballplatzes. Die braucht er aber auch, um kleine Nahrungsbestandteile aufzunehmen. Gleichzeitig ist der Darm auch ein Abwehrorgan. Hier lernen die Immunzellen, mit der Außenwelt umzugehen. Denn: der Darm ist ja eigentlich eine in den Körper gestülpte Außenwelt.
Ist der Darm das zweite Gehirn?
So weit würde ich jetzt nicht gehen. Aber in der Tat stehen der Darm und das Gehirn durch eine direkte Datenautobahn – den Vagusnerv – in Verbindung. Man kennt das ja: Läuft die Verdauung nicht rund, hat es auch Auswirkungen auf das gesamte Wohlbefinden. Der Darm zwickt uns wahrscheinlich am meisten von allen Organen im Körper. Oder denken Sie an Stress-Situationen: Prüfungs- oder Flugangst können bei einigen Menschen zu Durchfällen führen.
Wie oft sollte man für das „große Geschäft“ auf Toilette gehen? Was ist normal?
Da gibt es keine Gesetzmäßigkeit. Jeder Mensch ist unterschiedlich und durchlebt verschiedene Phasen. Manch einer geht vier Mal täglich, andere gehen vier Tage nicht. Der Verdauungstrakt ist ein Biosystem und kein Fahrplan.
… und die Form?
Hier gilt dasselbe. Jeder erinnert sich an Phasen mit extrem hartem oder extrem weichem Stuhl.
Wann sollte man zum Arzt?
Längerfristiger Durchfall – gerade auch in Verbindung mit Fieber – oder auch Beschwerden, die länger andauern, können ein Alarmzeichen sein. Hellhörig sollte man immer bei Blut im Stuhl sein. Das ist immer ein Warnzeichen und gehört ärztlich abgeklärt.
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Wie läuft eine Darmspiegelung ab?
Wir benutzen dazu das Endoskop – einen langen schwarzen Schlauch, in dem sehr viel modernste Technik sitzt. Durch eine hochauflösende Kamera und eine starke Leuchte kann der Arzt sehen, was im Körper los ist – eine fantastische Möglichkeit, nicht nur für eine Diagnose. Denn durch Arbeitskanäle kann der Arzt auch direkt behandeln. Man kann Proben nehmen oder Polypen direkt entfernen. Hier bei uns in Altona entfernen wir auf diese Art auch ganze Tumore.
Stichwort Tumore. Die Dickdarmspiegelung als Vorsorge …
… ist eine Perle in unserem Gesundheitswesen. Jeder Mensch kann sich im Laufe seines Lebens ab einem bestimmten Alter im Rahmen der Vorsorge untersuchen lassen. Bei der Spiegelung werden Vorstufen oder ein beginnender Dickdarmkrebs gesehen und meistens sofort entfernt.
Das heißt, durch das Entfernen von Vorstufen während der Vorsorgeuntersuchung kann ein Darmkrebs verhindert werden?
Ja, das ist so. Das ist auch der besondere Wert dieser Untersuchung: Es nicht nur eine Früherkennung, sondern man kann mit dieser Vorsorgeuntersuchung über die Abtragung von Vorstufen – Polypen – einen Darmkrebs verhindern. Das kann man bei anderen Vorsorgeuntersuchungen nicht.
Trotzdem geht nur jeder Vierte zur Darmkrebsvorsorge …
Das ist noch lange nicht die Zahl, die wir uns wünschen. Jeder, der zur Vorsorge geht, hat dafür einen bis zu 95-prozentigen Schutz, innerhalb der nächsten zehn Jahre keinen Dickdarmkrebs zu bekommen.
Den meisten graut es vor dem Abführen vorher.
Damit der Arzt auch etwas sieht, muss der Darm gut vorbereitet werden. Daher ist das Trinken einer Abführlösung zusammen mit einem Liter klarer Flüssigkeit schon am Tag vor der eigentlichen Untersuchung nötig. Dann rührt sich schon ein bisschen etwas, aber der Patient kann trotzdem noch gut schlafen und muss nicht dauernd zur Toilette rennen. Am Morgen vor der Untersuchung wiederholt sich die Prozedur. Das hat dann einen sehr prompten Spüleffekt. Dann ist der Darm optimal vorbereitet und kann seine volle Ästhetik entfalten.
Schläft der Patient bei der Spiegelung?
Einige wenige Patienten möchten gerne auf einem zweiten Monitor zugucken, aber die meisten bekommen eine Spritze und verschlafen die Prozedur. Nach der Untersuchung ist man auch schnell wieder fit. Einzige Einschränkung: Nach der Schlafspritze sollte man nicht mehr aktiv am Straßenverkehr teilnehmen.
Ab wann sollte man mit der Vorsorge beginnen?
Männer ab dem 50. Lebensjahr und Frauen, die etwas seltener Dickdarmkrebs bekommen, ab dem 55. Lebensjahr sollten das erste Mal zur Darmkrebsvorsorge gehen. Es sei denn, es gibt eine familiäre Vorbelastung. Dann schon erheblich früher in Absprache mit dem Arzt.
Dieses Interview mit Prof. Dr. Jürgen Pohl ist ein Auszug aus unserem Gesundheits-Podcast „Butter bei die Nierchen“. Den Podcast können Sie bei Ihrem Podcast-Anbieter wie zum Beispiel bei Spotify oder Apple Podcast abonnieren und verpassen so keine Folge. Oder Sie klicken einfach unten auf den Player.
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