• Sie ist jung und erfolgreich, doch genießen kann sie es nicht. Denn: Verena leidet am Hochstapler-Syndrom.
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Hochstapler-Syndrom: Trotz Erfolg als Betrüger fühlen – das steckt dahinter

Berlin –

Sie lügen, dass sich die Balken biegen. Erfinden Fähigkeiten und Erfolgsgeschichten: Hochstapler. Menschen, die am Hochstapler-Phänomen leiden, fühlen sich ähnlich. Doch die Geschichte dahinter ist eine ganz andere.

Verena ist 27 und ist in ihren verschiedenen Jobs weit gekommen. Sie ist gefragt und selbstständig als Fotografin, ist preisgekrönt, kann auf eine gute Ausbildung, ein sehr gutes Abitur und eine Karriere als Leistungssportlerin zurückblicken. Trotzdem hat Verena ein Problem. Sie sagt: „Ich kann eigentlich gar nicht so viel, wie ich vorgegeben habe.“

Hochstapler-Phänomen: Erfolgreich, aber mit dem Gefühl zu betrügen

Hört man Verena zu, könnte man denken, dass sie eine Hochstaplerin und Betrügerin ist. Dabei ist das Gegenteil der Fall – die junge Frau leidet am Impostor- oder Hochstapler-Syndrom/Phänomen. „Das sind Personen, die nachweislich erfolgreich sind, das aber nicht verinnerlichen können“, erklärt die Wissenschaftlerin Mirjam Zanchetta. Sie erforscht die Einflüsse des Impostor-Phänomens.

Menschen, die darunter leiden, glaubten nicht an die eigenen Erfolge, sondern daran, dass sie durch externe Faktoren wie zum Beispiel Glück oder Zeitpunkt so viel erreicht hätten. Ähnlich sei es auch bei ihr, sagt Verena. „Das ist das Paradoxe daran, dass ich ja niemanden anlüge und nicht irgendwas behaupte, was ich könnte. Und trotzdem habe ich die Angst, dass irgendjemand mal sagt: Was tust du hier?“

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Verena heißt eigentlich anders. Sie möchte unerkannt bleiben. „Ich habe kein Problem damit, über mein Empfinden und meine Gedanken dazu offen zu sprechen“, erklärt sie. „Mir ist es sogar wichtig, anderen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Aber ich finde das Thema Selbstzweifel so persönlich, dass ich gerne den direkten Austausch dazu habe.“ Nach außen trägt Verena ihre Ängste nur bedingt: „An sich wahre ich natürlich den Schein, dass ich super souverän bin“, sagt sie.

70 Prozent kennen das Gefühl der Hochstapelei

So gehe es den meisten, die ähnliche Gefühle haben, erklärt die Wissenschaftlerin Zanchetta. „Es ist ein inneres Geheimnis.“ Wie viele Menschen wirklich unter dem Phänomen leiden, könne dadurch schwer ermittelt werden.

Denn auch in Studien gäben Betroffene diese Unsicherheiten nur ungern zu. Dadurch gebe es wenig Evaluiertes und viel Theoretisches. Bis zu 70 Prozent der Menschen geben an, dass sie das Gefühl kennen, sagt der Autor und Psychologe Leon Windscheid.

Richtig zuordnen könnten es viele jedoch nicht. „Das sind einfach verdammt viele. Was vielleicht auch der Punkt ist, weshalb wir auf keinen Fall von einer Krankheit sprechen, sondern eher von einem Normalzustand.“

Leistungsdruck in der Kindheit kann Auslöser sein

Auslöser könne zum Beispiel hoher Leistungsdruck in der Kindheit sein. Wer am Hochstapler-Phänomen leide, habe etwa Probleme damit, sich selbst positives Feedback zu geben. „Du bist mit deinen eigenen Erfolgen nie so wirklich zufrieden. Es muss immer weitergehen, wie in einem Hamsterrad“, so der 31-Jährige, der unter anderem durch einen Podcast mit dem Comedian Atze Schröder bekannt ist. Wichtige Indizien für das Impostor-Phänomen seien auch Selbstzweifel: „Bin ich gut genug für das, was ich hier mache?“

Auch Verena fällt es schwer, eigene Erfolge zu benennen. Erst nach mehreren Nachfragen zählt sie ein paar mögliche auf: ein Einserschnitt im Abitur parallel zum Leistungssport zum Beispiel. „Ist das ein Erfolg? Weiß ich nicht“, sagt sie. Nach längerem Überlegen erzählt die 27-Jährige, dass ihre journalistische Ausbildung ein Erfolg für sie gewesen sei. „Da weiß ich mittlerweile, was ich kann und was vielleicht nicht so gut.“ Trotzdem denke sie sich bei Lob: „Leute, das bin doch nur ich!“

Erfolg stärkt normalerweise das Selbstbewusstsein

Erfolge sollten normalerweise das Selbstbewusstsein stärken. Mit dem Impostor-Phänomen sei das jedoch anders, sagt Windscheid. „Ich untergrabe eigentlich schon von Anfang an die Chance, dass ich am Ende sagen kann: Das hast du einfach gut gemacht, du hast dich gesund vorbereitet, dann hat es geklappt und deswegen darfst du dir jetzt ein positives Feedback geben.“

Das zeigt sich auch bei der 27 Jahre alten Verena. Trotz der offensichtlich erreichten Ziele plagen sie negative Gefühle: „Ich habe immer diese latente Angst, Mist verzapft zu haben“ – wirklich Fehler gemacht habe sie allerdings noch nie. Dennoch habe sie immer Angst, dass sie „Scheiße gebaut“ habe und es aktuell einfach niemand merke. „Aber irgendwer muss sich doch irgendwie mal denken: Alter, die kann man hier nicht arbeiten lassen“, sagt sie.

Mit Freunden über Ängste reden hilft

Mittlerweile hat die 27-Jährige diese Ängste nach eigenen Angaben besser im Griff. Vor allem Gespräche mit Freunden helfen ihr, damit umzugehen, sagt sie. Auch Psychologe Windscheid rät dazu, mit anderen Menschen über das Hochstapler-Gefühl zu sprechen. Das helfe einem selbst, aber auch Gleichgesinnten. Gemeinsame Gespräche würden dazu führen, Tipps und Mechanismen zu benennen, die man sich auch selbst geben sollte.

Außerdem: „Vergleiche dich mehr mit dir selbst, wie du früher mal warst und mit dir selbst, wo du gerne hin würdest“, ergänzt der Psychologe.

Ein weiterer Tipp des Psychologen: „Kämpfe niemals gegen deine eigenen Gefühle.“ Zugelassene Ängste und negative Emotionen seien viel schneller vorbei. Klar sein sollte auch: „Das Hochstapler-Selbstkonzept basiert darauf, dass ich denke, Hochstapler zu sein, obwohl das eigentlich nicht der Fall ist.“ (dpa)

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